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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Fumure dem Randgeschehen keinerlei Beachtung geschenkt. Seine Aufmerksamkeit gehörte ganz dem Vortrag Jakob Fuggers, als fände die Veranstaltung für ihn allein statt.
    »... dürfte mit einer Wahrscheinlichkeit von sechsundneunzig Prozent das zuvor geschilderte Verhalten als Modellfall paranoischen Querulantenwahns einzustufen sein«, sagte Fuggi.
    »Was?!« Clay straffte sich und starrte den Projektionskubus an, ohne die Daten, Piktogramme, Statistiken und Symbole zu begreifen, die ihn durchflirrten. Seine Fassungslosigkeit hatte nun ein solches Maß angenommen, daß er gar nicht mehr fähig war, Zorn zu empfinden.
    »... wahnhafte Vorstellung, daß es mit bestimmten, normalen Abläufen im gesellschaftlichen und allgemeinen menschlichen Zusammenleben nicht seine Richtigkeit hat. Der paranoische Querulant erhebt die Änderung der beanstandeten Vorgänge zu seinem Lebensinhalt. Wider alle Vernunft und bessere Einsicht stemmt er sich gegen von der Allgemeinheit anerkannte Erfahrungswerte und Gepflogenheiten. Unter krasser Vernachlässigung anderer Lebensbereiche, etwas seiner eigentlichen Aufgaben und Pflichten, erwirbt er sich bisweilen eine ungewöhnliche Sachkenntnis gewisser Spezialgebiete, die er zur Erreichung seines Ziels als dienlich ...«
    Ich muß mich eingehender mit Yama Jambavat befassen, dachte Clay, um sich abzulenken. Entweder ist der Mann für sein Amt ungeeignet, oder er ist ein Komplize dieser Leichenfledderer.
    »... während eine Unterscheidung der Paraphrenie von der Paranoia in der Praxis außerordentlich schwierig ist, kann doch das vorherrschende Krankheitsbild des Systemwahns bei beiden Schizophrenieformen als Basiskategorie zur ...«
    Shereen, dachte Clay in dumpfem Leid, ich ertrage das für dich. Für mich lebst du weiter. Ich kann noch immer Härten für dich ertragen, so wie früher, als ich an deine große Zukunft geglaubt habe.
    Ihre große Zukunft war auf der glutheißen Venus zu einem eisigen Stasisgrab ewiger Jugend geschrumpft.
    »... die folgende Schlußfolgerung«, faßte Fuggi zusammen. »Comptroller Claybourne Schuster Dalmistro ist ein solipsistisch-monomaner Paranoiker mit Sozialem Risikofaktor Eins.«
    Clay spürte Maritas kühle Hand auf seinem Unterarm. Ihm fehlten die Worte. Aus den Brauen sickerte ihm Schweiß in die Augen.
    De Fumure drehte langsam den Kopf und heftete seinen Blick auf Clay. Seine Miene widerspiegelte kaum verhohlene Genugtuung, vermischt mit bösartiger Schadenfreude und nicht wenig gehässiger Verachtung. »Das heißt, Mr. Dalmistro wäre strafrechtlich nicht belangbar, Fuggi?« erkundigte er sich im Tonfall auf plötzliche gute Laune zurückzuführender Nachsicht.
    »Richtig, Chef«, antwortete Fuggi. »Aufgrund eines Vorliegens des Sozialen Risikofaktors Eins wäre voraussichtlich jedoch seitens der Justiz-Org die Anordnung einer Sicherheitsverwahrung im der Lokation ›Alle Macht dem Inneren Licht‹ angeschlossenen Rehabilitationssektor zu erwarten. Nach mir bekannten Erfahrungsberichten sind in derartigen Fällen beachtliche Besserungs- beziehungsweise Heilungserfolge mit längeren Magnesium-Kuren erzielt worden.« Einen Moment lang schwiegen die Biopositroniken. »Sollen die Analyseresultate zur Weiterbearbeitung der Justiz-Org übermittelt werden, Chef?« fragte Fuggi schließlich nach.
    »Nein«, sagte de Fumure, ohne den Blick von Clay abzuwenden. »Noch nicht.« Er brauchte nichts hinzuzufügen, um für alle Anwesenden klarzustellen, welche Art von Drohung er hier andeutete. »Danke, Fuggi.«
    Das Leuchten im Kristallkubus erlosch. Die Lippenbewegungen des Holo-Porträts endeten. Unschuldig schaute Jakob Fugger II. in eine Gegenwart, die er sich nie hätte träumen lassen.
    Clay stand auf. »Vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, Mr. de Fumure«, sagte er ausdruckslos. »Ich bin sicher, daß allen Beteiligten damit gedient worden ist.«
     
    In der Salon-Fahrgastkapsel des Mercedes Condor befiel ihn ein beinahe paralytisches Zittern. »Ich bringe ihn um«, raunte er, ohne sich darüber im klaren zu sein, was er da redete. »Er muß sterben.« Seine Wut glich einer Vergletscherung seiner Eingeweide. Dennoch geriet außerhalb des Gleiters das Ferroplasma in Wallung.
    Marita küßte ihn, bis seine Muskeln sich entkrampft hatten. Unterdessen fegte der Luxus-Gleiter durch einen langen, geraden Stollen. Die Fahrt ähnelte einer Flucht ins Ungewisse.

8. Kapitel
     
     
    Als er mit zügigen, raumgreifenden Schritten das Tropfsteinhöhlen-Büro

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