Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
Vom Netzwerk:
kannst du dich verlassen, alter Junge. Dich werde ich zur Schnecke machen.
    Das Holo-Porträt Jakob Fuggers II. begann leicht zu flimmern und bewegte die Lippen. De Fumures Biopositroniken sprachen mit der sonoren Stimme eines soliden, vertrauenswürdigen Generalagenten einer Versicherung, dessen Autorität auch in seiner dreiköpfigen Normfamilie galt. »Die Justiz-Org hat sich im Laufe des vergangenen Quartcentums unter anderem mit diversen Fällen soziopathischen Verhaltens im Zusammenhang mit ihrer strafrechtlichen Bewertung befassen müssen, Chef. Überwiegend hat es sich dabei um Psychosen gehandelt, bei denen die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung fehlten. Wünschen Sie, daß ich auf dieser Basis eine Modellanalyse der Verhaltensweisen von Comptroller Claybourne Schuster Dalmistro vornehme?«
    »Was meinen Sie, Mr. Dalmistro?« fragte de Fumure allen Ernstes nach. »Fänden Sie das nicht auch interessant? Vielleicht lernen Sie etwas über sich selbst dazu.« Er vollführte an seinem Platz eine halbe Drehung und nickte dem Abbild Jakob Fuggers zu. »Bitte, Fuggi.«
    »Frechheit!« raunzte Clay und machte Anstalten zum Aufstehen. »Ich ...«
    »Aber ich bitte Sie, Comptroller«, unterbrach de Fumure ihn und hob eine Hand. »Beachten Sie, wir versuchen ja nur ein Modell zu durchdenken. Die Konflikte, die Sie als Terri mit den venusischen Gegebenheiten haben, sind nach meiner Ansicht von, soziologischem Modellcharakter. Ich bin selbst noch auf der Erde zur Welt gekommen und hatte auch meine Probleme mit dem Umdenken hier auf der Venus. Solche Fragen sind seither zu so etwas wie meinem Hobby geworden. Betrachten Sie die Sache als geistreiches Spiel, das – wie so manches Gesellschaftsspiel – aus dem Leben gegriffen ist. Man kann im Leben wie im Spiel vieles gewinnen oder verlieren, Geld, Besitz, Macht ... auch die geistige Gesundheit.«
    »Ich halte es kaum für geschmackvoll, wenn mein Geisteszustand zum Gegenstand Ihrer intellektuellen Spielereien gemacht wird«, erklärte Clay so beherrscht wie möglich. »Ich bin nicht als Ihr Patient hier, sondern in meiner Eigenschaft als Comptroller der Financial Investigations.«
    »Das werden wir selbstverständlich keinen Augenblick lang vergessen«, versprach de Fumure gelassen. Er stützte das breite Kinn auf eine Hand und musterte, ohne seine Besucher weiter zu beachten, den Projektionskubus, der zu leuchten begonnen hatte. Zu Clays wortlosem Verdruß sah man Filmaufnahmen und Standbilder von den Stätten all seiner Fehltritte; teilweise war im Hintergrund noch er selbst zu erkennen. Am rechten unteren Rand flimmerte der winzige Schriftzug Föderatus Pictureservice . Ein Großteil der Bilder zeigte lediglich Nahaufnahmen des Ferroplasmas in verschiedenen Stadien der Aktivität, versehen mit Orts- und Zeitangaben. »Fuggi« begleitete die Präsentation des Bildmaterials mit einer detaillierten Aufzählung von Clays Sündenregister.
    Anschließend begann er mit einer Kleinlichkeit und Ausführlichkeit, die auf die Nerven gingen, Vergleiche mit den anfangs von ihm erwähnten soziopathischen Fällen zu ziehen. Clay befand insgeheim, daß es ein außerordentlich hohes Abstraktionsvermögen verlangte, diese Vergleiche nachzuvollziehen; dann kam er zu der Schlußfolgerung, daß die Vorsichtigkeit seiner Überlegung nur auf den überwältigenden Wortschwall ›Fuggis‹ zurückzuführen war: Wenn er bei der Wahrheit blieb, hielt er das alles für kompletten Unfug. Aber natürlich hatte es keinen Sinn, hier gegen die auf der Venus dominierende juristische Mentalität und ihre Interpretationen zu rebellieren.
    Angeödet von der langweiligen Vorstellung, die de Fumure anscheinend eigens für ihn vorbereitet hatte, schaute er Marita an und las in ihrem Blick die stumme Bitte, um jeden Preis Ruhe zu bewahren. Clay mußte feststellen, daß das Ferroplasma, der Killer-Golem und Marita Ribeau drei insgesamt sehr überzeugende Gründe waren, diese Bitte zu erfüllen.
    Vom Besonderen kamen die Biopositroniken allgemein auf Formen der endogenen Psychose zu sprechen. »Im typischen Zustand der Schizophrenie steht im Vordergrund die Entwicklung von Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Verfolgungswahn«, referierte Jakob Fugger, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, »die in an der Realität nicht überprüfte, autistische Denkmodelle münden und von hochgradigen Erregungszuständen mit stereotypen Handlungsabläufen der Katatonie – begleitet werden können. Ein

Weitere Kostenlose Bücher