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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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des Sozialkoordinators betrat, war Clay fast wieder der alte. Er hatte zwar eine schwache Ahnung, daß er nach diesem Aufenthalt auf der Venus nie wieder der gleiche Mensch sein würde, doch darum machte er sich vorerst keine Sorgen.
    »Mr. Dalmistro!« Yama Jambavat winkte lebhaft, als er Clay sah. »Sie haben Glück, daß Sie mich noch antreffen. Ich wollte gerade gehen.«
    »Sie haben doch nicht etwa vor, mit unbekanntem Ziel zu verreisen?« erkundigte Clay sich sarkastisch.
    Jambavat stutzte. »Ich? Nein. Wie kommen Sie darauf?« Er schloß einige in den Pseudo-Tropfstein integrierte Wandschränke. »Ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen, die Sie möglicherweise erfreuen wird.«
    »Ich habe Ihnen auch eine Eröffnung zu machen, aber sie wird Ihnen wahrscheinlich keine Freude bereiten.« Clays Blick streifte Marita, die mit Tasche am Eingang wartete, weil der Sozialkoordinator offensichtlich dabei war, sein Büro zu schließen.
    »Und die wäre?« Jambavat wirkte ungewöhnlich wohlgelaunt.
    »Ich weiß nicht mehr weiter.«
    »Da geht's Ihnen so wie mir«, antwortete Jambavat. »Ich habe beschlossen, mir einen Drink zu gönnen. Kommen Sie mit, das Sozialbüro lädt Sie ein.« Er strebte zur Tür. »Für die nächsten fünf Standardtage«, sagte er unterwegs, »keine neuen Termine vereinbaren.«
    Clay brauchte ein Momentchen, bis er begriff, daß Jambavat zu seinen Computern gesprochen hatte. Der Sozialkoordinator verließ das Büro. Er schloß die Tür nicht ab.
    »Sind Sie gar nicht mißtrauisch?« Clay musterte Jambavats Miene und erkannte darin nichts als muntere Aufgeräumtheit.
    »Es genügt, daß meine Elektroniken mißtrauisch sind, Mr. Dalmistro.« Jambavat lächelte andeutungsweise. »Mich den Maschinen gleichzustellen, wäre eine Besudlung meiner menschlichen Würde.«
    Am Ausgang besprach sich der Sozialkoordinator kurz mit zwei im Sozialbüro tätigen Freghels, dann führte er Clay und Marita zu einem Ergschacht. Vier Kavernenetagen tiefer gelangten sie in eine weitläufige, von bläulichem Licht erhellte Höhle, deren Gestaltung Sitzlandschaften in Mulden sowie zahlreiche Nischen und Terrassen umfaßte. Offensichtlich handelte es sich um ein Restaurant. Während die Ankunft des Sozialkoordinators keinerlei Aufsehen erregte, bemerkte Clay zu seinem Mißfallen, daß die anwesenden Venusier auf sein Erscheinen – es war das erste Mal, daß so etwas geschah – mit unübersehbarer Aufregung reagierten. Er erinnerte sich daran, daß Marita erwähnt hatte, er habe mittlerweile auf der Venus einen sehr schlechten Ruf.
    Zum Glück wählte Jambavat eine etwas abgelegene Nische aus, die sie der Aufmerksamkeit der übrigen Gäste vollkommen entzog. »Diese Lokalität nennt sich ›Grotte des Steten Tropfens‹«, sagte Marita zu Clay. »Sie wird wegen ihrer Gediegenheit und Geruhsamkeit von Einwohnern sämtlicher Lokationen frequentiert.«
    »Ein wirklich sinniger Name«, gab Clay ohne Begeisterung zu. Aus verschiedenen Richtungen säuselten und zirpten atonale Klänge elektronischer Musik, die irgendwie den Eindruck erweckten, als huschten überall Fledermäuse umher. Die eigenen Echos kontrapunktierten die Töne, so daß in einer Negation des atonalen Prinzips auf höherer Ebene eine quasi-melodische Beziehung zu den Grundtönen entstand. In der stillen Hoffnung, daß das Licht und die bizarre Musik ihn nicht allzu nervös machen würden, wandte Clay sich an den Sozialkoordinator. »Sie haben recht behalten. Tasche hat den Datenschutz der IMFG nicht knacken können. Cuno de Fumure war mit einem Datentransfer einverstanden, aber daraus ist eher ein Sabotageakt geworden.« Er berichtete kurz und klar, inwiefern und in welchem Umfang sich die Computersysteme der IMFG als Tasches Kapazitäten weit überlegen gezeigt hatten.
    Jambavat nickte, während ein diskusförmiger Servbot vor ihm ein hohes Glas mit einem weißen Getränk abstellte. Sein ›Drink‹ bestand lediglich aus Kefir. »Hat die Auswertung der Daten, die Sie trotz der Sabotage aus den Datenbanken der IMFG erhalten haben, Ihnen zu irgendwelchen weiterführenden Erkenntnissen verholfen?«
    Clay sah seinen schwarzen Koffer an. »Tasche?«
    »Die steuerrechtliche Begutachtung der Daten wird noch rund fünfzehn Minuten beanspruchen, Comptroller«, gab Tasche Auskunft. »Bitte haben Sie Verständnis.«
    Clay merkte, daß Jambavats Blick in durchdringender Weise in seinem Gesicht forschte. »Aber das ist nicht alles, was sich bei de Fumure abgespielt hat

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