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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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sie«, sagte Marita kaum vernehmlich. »Aber ...« Sie sprach nicht weiter.
    Bitte halt den Mund, dachte er inständig. Bitte halt den Mund. Ich habe meine Tochter verloren, die Lieblichkeitsfaktor Neun hatte. Ich will keine Liebe, die ich in Kürze auch verlieren müßte. So etwas könnte ich nicht mehr ertragen.
    Zu seiner Erleichterung bewahrte sie Schweigen.
    Der Wagen durchquerte einen langen Stollen der Art, wie sie zwischen den Lokationen verliefen, und fuhr dann durch einen sehr ausgedehnten, gekrümmten Tunnel. Clay vermutete, daß sie eine Lokation umrundeten, verzichtete jedoch darauf, danach zu fragen. Schließlich bog die Sphärenschwimmerin in ein weitläufiges Höhlensystem ein. Den Boden hatte man nachlässig geglättet, die Felswände notdürftig begradigt. Ansonsten hatten die Venusier diese Hohlräume in natürlichem Zustand belassen. Wahrscheinlich hatte man entgegen der ursprünglichen Absicht davon abgesehen, eine Lokation in unmittelbarer Nähe Sankt Damokles' anzulegen. Die Beleuchtung in diesen Kavernen und Gängen war schlecht und beschränkte sich auf einige Chemoleuchten an kritischen Stellen. Ihr trüber Schein verlieh den Gesteinsschichten und mineralhaltigen Adern einen unheimlichen Glanz.
    Das Ferroplasma hatte sich auch in diese subvenusischen Räume ergossen, den Boden und zum Teil auch die Wände mit einem Belag überzogen, der anscheinend wesentlich dünner war als in den Lokationen. Da und dort wölbten sich wie gelierte mandelförmige Erhebungen empor, deren stumpfes Ende in die Fließrichtung wies; eingedickte, teils erheblich abgestufte Wellen machten die Fahrt verschiedentlich recht holprig. Auch an den Felswänden konnte man dem Plasma eine deutliche Tendenz einstigen, längst halb erstarrten Strebens in die Tiefe dieser Höhlenwelt anmerken. Die frühere, noch ersichtliche Fließrichtung stimmte mit der Fahrtrichtung überein. Demnach war Sankt Damokles bei der Verbreitung des semiliquiden Ferroplasmas in den von Menschen geschaffenen Hohlräumen nicht etwa der Ausgangspunkt gewesen.
    Clays Vorstellungskraft entwickelte ein phantastisches Bild. Zwei riesige Klumpen ferroplasmischer Materie ruhten seit undenklichen Zeiten in der Kruste der Venus, komprimierte Überreste einer geopsychischen Lebensform, die – wieso und in welcher Form auch immer – vor kosmischen Zeitaltern existiert haben mochte. Vielleicht standen die durch toten Stein voneinander getrennten Klumpen viele Äonen lang in psionischem Kontakt, führten einen unfaßlichen Dialog über den Weg, den das Universum nahm, oder nur über sich selbst. Doch im Laufe der Jahrmillionen versiegte die psychische Aktivität des Ferroplasmas, sein Bewußtsein sank herab auf eine primitive Stufe, verkümmerte, verblödete. Eines Tages jedoch betraten Menschen den Planeten, begannen sich in sein Gestein zu graben, schufen Höhlen und Gänge. In dunklem Drang nach Vereinigung, Ausdruck des natürlichen Trachtens der Natur nach höheren Formen des Daseins, bewegte sich der liquidere Teil des Plasmas, indem er dem Ausbau der menschlichen Wohnanlagen folgte, auf den anderen Plasmabrocken zu, strömte träge in flachen, vornehmlich bodengebundenen Ausläufern durch die neue subvenusische Welt. Er verbrauchte seine Fülle, indem er sie verteilte. Hatte er den anderen Klumpen je gefunden? Clay würde es sehen, sobald er Sankt Damokles erreichte.
    Ein paar Minuten später parkte die Ribeau den Wagen in einer schummrig beleuchteten Grotte neben einer Anzahl bereits dort abgestellter Fahrzeuge. Mehrere von Jambavat eigens für diesen Zweck abkommandierte Freghels, kenntlich am aufgeriebenen Sozialemblem an der Stirn, hielten hier Wache, um dagegen vorzubeugen, daß Claybournes Kontrahenten ihm noch vor der SDJ mit unangenehmen Überraschungen aufwarteten. Die Frauen und Männer beobachteten ihn mit neugierigen, durchaus respektvollen Blicken.
    Die Sphärenschwimmerin geleitete ihn in einen engen, grob aus dem Fels gehauenen Gang, durch den das Ferroplasma nur noch als schmales Gerinnsel verlief. Tasche schwebte hinterher, wich wie gewohnt nicht von der Seite des Comptrollers.
    Kurz bevor sie ans Ende des Gangs gelangten, erhielt Clay Ausblick auf eine mit dem harschen Licht von Halogenleuchten erhellte, großporige Masse in schiefergrauem Farbton. Der Gang mündete auf eine weitflächige Terrasse aus Naturgestein, eingefaßt durch ein Alu-Geländer. Auch hier standen einige Sozialbüro-Freghels auf Posten.
    Mit raschen, entschlossenen

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