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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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sie die Terrasse verlassen hatten, keine Echos mehr hören konnte; die poröse Masse aus Ferroplasma verschluckte anscheinend jeden überflüssigen Laut. »Schluß damit! Machen Sie das aus! Ausmachen!« Beinahe hätte der Hyperprotektor mit seinen dicklichen Fäustchen nach de Fumure geschlagen.
    »Schalten Sie's ab, Mann«, unterstützte Clay entnervt de Herbignacs Wunsch. »Wir brauchen keine Arien, um die Sache über die Bühne zu bringen.«
    »Banausen«, bemerkte de Fumure unterdrückt, indem er den beiden anderen den Gefallen tat und den Speicherkristall desaktivierte.
    Du beschissener, öliger Bildungsbürger, dachte Clay, während sie, von der Ergsonde geleitet, immer weiter unter Sankt Damokles' langgestreckten Körper vorstießen. Typen wie dich habe ich schon immer verabscheut. Dauernd kehrt deinesgleichen die Kultiviertheit heraus, die keinem inneren Bedürfnis zu verdanken ist, sondern bloß dem Geld. Ihr verdammten Arschlöcher.
    Die Luft unter Sankt Damokles war schal und stickig. Clay verspürte allmählich Beklemmung. Die Bedrückung durch die lückenlose graue Endlosigkeit über ihren Köpfen machte sich nun rasch als schwer erträgliche Drangsal bemerkbar. Schubweise Schweißausbrüche suchten ihn heim.
    Und weil ich meine Tochter an so einen Ultrasnob verkuppeln wollte, dachte er verbittert, habe ich sie, ohne es zu wollen, mit dem Tod vermählt. Und dieser Lump hier bringt es fertig und macht sich auch noch einen Spaß aus meiner Sankt-Damokles-Justiz! Hat der Kerl Nerven!
    Aber Clay hatte selbst Nerven. In einer ununterbrochenen Folge von Scheußlichkeiten, Greueln und Brutalitäten in der Tiefstadt von Metrocago waren sie gestählt worden. Seine Kompromißlosigkeit war ein unmittelbares Ergebnis der Widrigkeiten und des Widerlichen, das er dort, in den Höllen der Moderne, durchgestanden hatte.
    Er stolperte häufig am rauhen Felsboden, weil er den Schimmer der Ergsonde und de Fumures Schattenriß im Blick behielt. Ihre Wanderung unter Sankt Damokles' grauschwarzem Bauch schien kein Ende zu finden. Die Plasmamasse schwebte über ihnen wie ein von Verhängnissen schwerer Himmel aus Blei.
    De Fumure, der so unverfroren vorauseilte, ließ keinen Laut mehr vernehmen, doch die röchlige Atmung des Hyperprotektors, durchsetzt mit unverständlichen, gewimmerten Nörgeleien, begleitete die beiden anderen Männer wie die Geräuschentwicklung einer defekten Lustmaschine. Im Spannungsfeld zwischen der kaltblütigen Frechheit seines einen und der nachgerade anstößigen Memmenhaftigkeit seines anderen Kontrahenten fühlte Clay – durch den einen provoziert und vom anderen angeekelt – seine eigene Unerschrockenheit wachsen.
    Endlich kam aus der Ergsonde Yama Jambavats Stimme. »Sie haben nun den ungefähren Mittelpunkt erreicht«, konstatierte der Sozialkoordinator. »Sie sind am vorgesehenen Standort. Der Moment der Entscheidung ist da. Bitte, Comptroller.«
    Die Ergsonde verharrte. De Fumure tat noch zwei, drei Schritte und drehte sich dann um, so daß der Lichtschein fahl auf sein zur Fratze des Zynismus erstarrtes Gesicht fiel.
    Clay blieb ihm gegenüber stehen. Zwischen ihnen leuchtete die Ergsonde. De Fumure schwebte unter unsäglichem Geächze, als müsse er sein ganzes Körpergewicht selber tragen, an ihm vorbei, wich nach links aus, und angesichts seiner hastigen Bewegung machte Clay unwillkürlich einen langen Schritt nach rechts. So umstanden sie zuletzt die Ergsonde im Kreis, einigermaßen in gleichem Abstand von ihr und voneinander.
    Clay zögerte. Das Gefühl der Unwirklichkeit in ihm war enorm stark. Zeitweilig glaubte er an einen klaustrophobischen Alptraum.
    Auch in Träumen ergeben sich Gelegenheiten zum Handeln, dachte er. Das hier ist so eine Gelegenheit.
    Er räusperte sich und mußte dennoch hinnehmen, daß seine Stimme ihn anfangs im Stich ließ. Sie klang, als wären seine Stimmbänder ledrig geworden, wie gegerbt, und in seinem ganzen Gaumen schien kein einziges, nicht das winzigste Tröpfchen Flüssigkeit noch vorhanden zu sein.
    »Johannitus de Herbignac ...« Er hob seine Lautstärke. »... und Mr. de Fumure ...« Plötzlich empfand er das alles als vollkommen lächerlich. Wie hatte er nur auf die irrsinnige Idee verfallen können, die obskure Überlieferung irgendeiner sogenannten Sankt-Damokles-Justiz wäre ein geeignetes Mittel zur Lösung eines Falls? Der gesunde Menschenverstand sprach dafür, daß de Fumure recht hatte: daß voraussichtlich nichts dabei herauskam.

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