In den Städten, in den Tempeln
an Sie wandten, nach ihrer ›Entkörperung‹ in offener und versteckter Weise bereichert?«
Brüsk winkte der Hyperprotektor ab. »Ach was.«
»Nein.«
Eine Sekunde lang regte sich nichts. Da spürte Clay plötzlich ein Schaudern in seinem Nacken. Die Haare wollten sich ihm sträuben. Ruckartig hob er den Kopf.
An der Unterseite des Ferroplasmas entstanden euterartige Beulen, und das kiesige Grau geriet in behäbige Fließbewegungen.
Auch de Herbignac blickte nach oben, und sein Mund klaffte wie ein Trichter. »Naaaaaaaaa-i-i-i-i-i-i-i-nnn!!!« brüllte der Hyperprotektor. Die Ergsonde erlosch.
Sankt Damokles stülpte sich wie eine gigantische Qualle über die drei Menschen.
Clay vernahm, während er in den Abgrund eines Treibsandpfuhls gerissen zu werden schien, in der Nähe eine dumpfe Detonation, die wahrscheinlich von de Herbignacs Ergfeld herrührte, doch dann verloren seine Sinne den Kontakt zur Existenz der gewohnten Welt, noch ehe er ernstlich zu ersticken drohte. Das Ferroplasma hüllte ihn ein, ohne ihn zu umschließen, und doch steckte er nicht in einem Hohlraum. Der Schutz, den Sankt Damokles ihm gewährte, mußte von nicht ausschließlich materieller sondern zumindest teilweise n-dimensionaler Natur sein. Das körperliche Wahrnehmungsvermögen reichte nicht aus, um die Beschaffenheit seines Umfelds zu ergründen. Clay wußte nicht, ob er stand oder lag, schwebte oder schwamm. Aber er lebte, und es bereitete ihm keine unangenehmen Gefühle, sich im Innern Sankt Damokles' zu befinden. Von innen haftete seinem Wesen nichts Bedrohliches mehr an; statt dessen bot er die ungetrübte Geborgenheit einer zum Nichtgebären bestimmten Gebärmutter, einer Zuflucht alles Regressiven.
Ein unvertrautes Kribbeln rann in wechselhaftem Zickzack über seine Haut, und er kam sich vor wie ein Speicherelement unter einem Laserabtaster. Seine Nerven reagierten zwar heftig, aber keineswegs schmerzlich auf den Reiz; eine Art elektrischer Suchimpuls schien durch sein Rückenmark ins Gehirn zu flitzen. Plötzlich war ihm, als begänne er von innen her zu leuchten, sich in ein gläsernes Simulacrum seiner selbst zu verwandeln. Er verspürte das Züngeln seiner Kirlian-Aura wie einen Firnis aus kalten Flämmchen.
Unendlich langsam geriet der Glanz in ihm und um ihn in ein lautloses Pulsieren, als spräche er auf sachte Schwingungen an, und es hatte den Anschein, als drifte er in Strömen von Polarlicht. Diamanthelle Oszillationen umwaberten die sonderbare, wie halbstoffliche Daseinsform, die er angenommen hatte. Jedes Zeitgefühl schwand. Er vermochte nicht zu begreifen, was mit ihm geschah, er kannte dafür keine Worte; doch er ließ es geschehen, ohne es zu bewerten. Er nahm es hin wie eine unbewußt seit langem ersehnte Offenbarung.
Dann ersah er – auf die gleiche subliminale, synergetische Weise, wie er auch ansonsten Leben von toten Gegenständen unterschied, doch anhand einer ihm selbst unverständlichen Perzeption –, daß in den Pulsationen und dem Oszillieren Manifestationen eines Wesens in Erscheinung traten. Sankt Damokles lebte tatsächliche er war, obwohl er aus wenig anderem als einem organischen Grieß aus Erzen und Mineralien bestand, mit einer Psyche begnadet und offensichtlich imstande zum Denken und Handeln.
Als sei diese Einsicht ein Katalysator, erweiterten sich Clays paranormale Wahrnehmungen. Die zahlreichen, in ihrer Frequenz sehr fein differenzierten Vibrationen, aus denen sich das polarlichtartige Wallen zusammensetzte, war Ausdruck einer Vielzahl von Wesenheiten, die den riesigen Ferroplasmaleib gemeinsam bewohnten. Sankt Damokles besaß eine Multipsyche!
Und da brach in seinem Hirn ein Wetterleuchten von Erkenntnissen aus. Der Ferroplasmaklotz hatte deswegen nicht auf seine erste Frage reagiert, weil de Herbignac und de Fumure – ohne es zu ahnen! – die Wahrheit gesagt hatten: Die Opfer der Energetensphäre lebten weiter, existierten in einem unvorstellbaren psychischen Pool, für den Sankt Damokles das Sammelbecken abgab.
Die in der Klotzgestalt aus Ferroplasma zurückgebliebenen Restenergien ihrer einstigen geopsychischen Intelligenz mußten das Bewußtsein der Sterbenden gewissermaßen durch psinergische Überlagerung aufgefangen und durch kollektive psychokinetische Bindung an ihren Körper gekoppelt haben. Daher erklärte sich die Zunahme psychogener Schwingungen, wie die Sankt-Damokles-Forschungsabteilung unter Professor Oishi sie im Laufe der Jahre festgestellt
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