In den Tod gejagt
sich mache noch keinen Spaß, solange man nicht darin herumstochere,
und dazu brauche man lediglich einen langen Stock.«
»Und den haben Sie, weiß der
Himmel«, murmelte ich.
»Wissen Sie, wie George mich
sieht? Als entzückendes kleines Mädchen, das prima fürs Bett taugt, mit einem
soliden Betonklotz zwischen den Ohren. Er erzählt mir alles, weil er glaubt,
das sei ebensogut , als wenn er mit sich selber
spräche; und der süßeste Klang, den er je gehört hat, ist ohnehin der seiner
eigenen Stimme .«
»Gibt es sonst noch ein paar
Belanglosigkeiten, die Sie mir gern mitteilen würden ?« fragte ich. »Wie zum Beispiel das genaue Datum des Tages, an dem der Weltkrieg
Nummer drei beginnt?«
»Ich glaube nicht .« Sie fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand des Tellers
vor ihr und leckte mit sichtlichem Behagen die Rumsauce ab. »Sie sind smart,
Rick, auf Ihre Weise vielleicht ebeno smart wie ich.
Wenn ich das wäre, was ich zu sein scheine, dann wäre Ihr Annäherungsversuch
fast perfekt gewesen. Deshalb will ich Ihnen eine Chance geben .«
»Vielen Dank.« Ich streckte
schnell die Hand aus, und der Kellner schob mir ein frisch eingegossenes Glas
hinein.
» Irish Coffee, bitte .« Pauline lächelte den Kellner
schüchtern an. »Und vielleicht ein paar Petits fours ?«
»Warum hat George den Film
behalten und einen Abzug von der einen Aufnahme machen lassen ?« fragte ich. »Warum hat er den Film nicht einfach vernichtet ?«
»Man muß seinen Gedankengängen
folgen, um das zu begreifen«, erklärte sie geduldig. »Der Film hat ihn immerhin
zweihundert Dollar gekostet. Nicht wahr? Es war eine Geldanlage — oder nicht?
Glauben Sie vielleicht, er wirft so etwas weg, ohne es vorher wenigstens
angesehen zu haben ?« Sie imitierte plötzlich auf
bemerkenswert exakte Weise Blooms Stimme, obwohl sie eine Oktave höher lag.
»Man kann nie wissen, Honey — man kann einfach nie wissen, ob etwas, was reif
für die Abfalltonne aussieht, in einem halben Jahr nicht einen phantastischen
Profit einbringt.«
»Zum Beispiel für Publicity,
wenn der Comeback-Film uraufgeführt wird? >Vom Rande eines völligen
körperlichen Zusammenbruchs hinweg kehrt Fleur Falaise im Triumph zu der
größten Rolle ihres Lebens zurück .< So ungefähr?«
»So ungefähr.« Sie nickte.
»George unterscheidet sich in nichts von den anderen großen Bossen in der
Filmindustrie. Im Grund sind das alles simple Männer, getrieben von kolossaler
persönlicher Eitelkeit. Sie hassen noch nach zehn Jahren den Hotelboy, der sie
damals in Chicago nicht erkannt hat — und wissen auch seinen Namen noch — , und dazu braucht man eine grenzenlose Energie, Rick.«
»Ja, Ma’am«, sagte ich
sachlich.
Sie kicherte. »Vermutlich habe
ich eben entsprechend dahergeredet. Ich bitte um Entschuldigung. Wie finden Sie
Arlene Donner ?«
»Eine sehr attraktive
Kupferblonde, die Fleur ehrlich ergeben zu sein scheint«, sagte ich. »Warum?«
»Nur so!« Sie nippte an ihrem Irish Coffee und wandte mir dann wieder ihr plötzlich mit
einem dicken weißenSchnurrbart
versehenes Gesicht zu. »Ich habe mich nur gefragt, wer Fleurs Vermögen erbt,
wenn sie stirbt .«
»Sie haben einen
Schlagrahmschnurrbart auf der Oberlippe«, sagte ich.
Das brachte sie nicht im geringsten in Verlegenheit. »George würde sich anerbieten,
ihn abzulecken .« Sie wischte sich achtlos den Mund mit
der Serviette. »Ihnen ist der Gedanke nicht so sympathisch, was? Sie hätten
nicht gern, wenn eine kupferblonde Sexbombe in irgendein übles Komplott
verwickelt wäre, wie zum Beispiel den Plan, ihre Arbeitgeberin ins Gras beißen
zu lassen, um anschließend selber dem süßen Leben in Luxus frönen zu können?«
»Jetzt übertreiben Sie«, sagte
ich.
»Vielleicht! Da ist doch eine
Schwester, die sich die ganze Zeit über um Fleur Falaise kümmert, ja ?«
»Natürlich!«
»Wer hat sie angestellt ?«
»Der Arzt, glaube ich .«
»Das wissen Sie nicht ?« Ihr Mund verzog sich zu einem boshaften, befriedigten
Lächeln. »Finden Sie nicht, daß Sie das herausbekommen sollten, Rick? Oder
würde es Sie zu sehr aufregen, wenn sich herausstellte, daß Arlene Donner die
Schwester engagiert hat? Dann müssen Sie ihre Referenzen prüfen und
herausfinden, ob sie wirklich eine Krankenschwester ist. Ich glaube, das würde alles
viel zu kompliziert sein .«
Ich sah plötzlich vor meinem
inneren Auge den Tisch in Fleurs Schlafzimmer, überhäuft mit Medizin, und —
hatte ich mir das eingebildet? —
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