In den Tod gejagt
hatte da eine Injektionsspritze unter dem
Licht der Nachttischlampe geglitzert, oder benutzt heutzutage jeder die
Plastikausführung? Ich sah Fleurs Gesicht vor mir, ihre zusammengekniffenen
Augen, mit denen sie mich prüfend angesehen hatte, während sie bemüht gewesen
war, die Wirkung des Beruhigungsmittels zu bekämpfen. Erneut hörte ich ihr verschwommenes
Flüstern: »Wenn ich nicht weggehe, wird man mich am Ende umbringen !«
»Hat es Ihnen die Rede
verschlagen ?« fragte Pauline scharf.
»Ich habe nur überlegt«,
murmelte ich. »Vielleicht haben Sie recht. Was wissen Sie über Harvey Linderman ?«
»Nichts! Warum?«
»George behauptet, niemand
könne ihn sprechen, wenn er nicht will. Ich soll George gegen drei Uhr anrufen
und mich erkundigen, ob es ihm gelungen ist, eine Verabredung mit Linderman für
mich zu treffen .«
»Sparen Sie sich Ihre zehn
Cent«, sagte sie gleichmütig. »Linderman wohnt in Beverly Hills in einem
Apartmenthotel, genannt Windsor
Arms. Ein sehr kleines, exklusives Hotel, frequentiert von den
altmodischen Reichen, denjenigen, die zumindest seit ein paar Generationen Geld
haben. Er bewohnt die beiden obersten Stockwerke .«
»Ich kenne das Hotel«, sagte
ich bescheiden.
»Rufen Sie Dennis Strauberg an.
Er ist Lindermans rechte Hand und trifft sowieso die
meisten Entscheidungen für ihn. Sagen Sie ihm, wer Sie sind und worum es sich
handelt. Er wird dafür sorgen, daß Sie Linderman sprechen können .«
»Ich dachte, Sie wüßten nichts
über ihn ?« fauchte ich.
»Weiß ich auch nicht — ich
meine, persönlich .« Sie nahm das letzte der Petits fours und stopfte es sich in den Mund. »Aber ich kenne die
Zusammenhänge durch George, denn sie hatten gelegentlich geschäftlich
miteinander zu tun. Wenn Sie darauf warten, daß George die Verabredung für Sie
trifft, dann werden Sie noch warten, wenn Sex nur noch eine dumpfe Erinnerung
für Sie bedeutet .«
»Warum?«
Das war eine törichte Frage,
und Pauline betrachtete mich kritisch. »Vielleicht essen Sie nicht genug?
Deshalb versagt Ihr Gedächtnis! Ich habe Ihnen doch gesagt, George habe Sie
lediglich deshalb engagiert, weil er hofft, Sie könnten nachweisen, daß Altman
Fleur über die Klippe gestoßen hat. Er möchte nicht, daß Sie sich von einem
Unwichtigen wie Linderman ablenken lassen .«
»Ich nehme nicht an«, sagte ich
mit erstickter Stimme, »daß Sie eine Partnerschaft mit mir erwägen? Wir könnten
achtzig zu zwanzig teilen — zu Ihren Gunsten natürlich .«
»Ich werde es mir überlegen«,
versprach sie. »Aber ich sehe schon, daß ich die organisatorische Seite der
Sache übernehmen müßte, und Ihre spezielle Branche läßt dafür nicht viel
Spielraum. Trotzdem vielen Dank für das Angebot.«
Ich trank einen Schluck Bourbon
und sah bedrückt zu, wie sie ihren Irish Coffee
austrank und dann beglückt den Zucker, der auf dem Grund des großen Glases
übriggeblieben war, auslöffelte.
»Sie werden zu spät ins Büro
zurückkommen«, sagte ich boshaft. »Wird da Ihr Chef nicht wütend ?«
»Ich werde ein bißchen kesse
Unterwäsche auf dem Rückweg kaufen«, sagte sie leichthin. »George wird so mit
Sabbern beschäftigt sein, wenn ich ihm davon erzähle, daß er gar nicht auf die
Zeit achtet .«
»Einundzwanzig«, ich starrte
sie mit glasigem Blick an, »und auf fünfundachtzig zugehend. Als ich Sie das erstemal sah, dachte ich, Sie wären achtzehn und hofften
wie einundzwanzig auszusehen .«
»All die scheußliche Maskara um die Augen, als ob ich fünf Auftritte im hiesigen Striporama pro Abend hätte«, sagte sie
selbstzufrieden. »Gehört alles zum Teenager-Image, Rick. In Georges Augen ist
mein übertriebenes Make-up süß und liebenswert. >Süßes, naives kleines
Mädchen< denkt er liebevoll. >So reizend, so jung !< Er war, als er mich verführt hat, so rücksichtsvoll, daß ich beinahe
einschlief, bevor noch die Präliminarien vorüber waren.«
»Wissen Sie was ?« sagte ich mit verwirrter Stimme. »Jetzt erst habe ich
Nabokov begriffen. Lolita war natürlich eine fünfundvierzigjährige Zwergin !«
»Bevor ich gehe, wollte ich Sie
noch, was fragen, Rick .« Sie zögerte eine ganze Weile,
eine leichte Röte erschien auf ihren Wangen. »Werden Sie mich nicht auslachen ?«
»Nein! Was ist es denn ?«
»Nun ja...« Ihre Stimme klang
entschuldigend. »Sie sehen so aus, als ob Sie sich seit Ihrem Stimmbruch mit
Liebesfreuden vergnügt hätten; und so dachte ich, Sie wüßten vielleicht eine
Antwort
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