In den Trümmern des Himmelsystems
vollbrachten Verzweiflungstaten. Das hatte man zu Beginn sogar bei den Menschen von Morningside gesehen…
Sie drehte sich etwas in ihrem Sessel, um den schlafenden Shadow Jack zu betrachten, der friedlich träumend auf dem Boden lag, neben sich ein aufgeschlagenes Buch mit Bildern von Morningside. Wenn man die Lage schon für das Demarchy als verzweifelt ansehen mußte, überlegte sie, was mußte dann erst über Lansing gesagt werden? Mit einer Hand spielte sie liebkosend mit den Ringen an ihren Fingern, als Wadie Abdhiamal eintrat.
„Kapitän.“ Er machte seine übliche Verbeugung. Sie nickte erwidernd und sah ihm zu, wie er herüberkam: der ordentliche Demarchos, übertrieben geschniegelt und übertrieben freundlich. Und so ungeschickt wie ein Kind, das seine ersten Gehversuche macht. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt, man sah ihm deutlich die Folgen von Streß und Flüssigkeitsverlust an. Sie erinnerte sich daran, daß er auf der
Lansing 04
seinen Trinkwasservorrat dazu verwendet hatte, Gesicht und Hände zu waschen, in der Meinung, niemand würde ihm zusehen… Sie strich sich abwesend durch ihr Haar. „Haben Sie alles Notwendige gefunden, Abdhiamal? Haben Sie gegessen?“ Er hatte nicht zusammen mit ihnen allen im Speisesaal gegessen.
Er setzte sich. „Ja… etwas. Ich weiß nicht, was.“ Bei der Erinnerung sah er plötzlich merkwürdig kränklich aus. „Ich fürchte, Fleisch bekommt mir nicht besonders.“
„Wie… fühlen Sie sich?“
„Heimweh.“ Er lachte selbstanklagend, als sei es eine Lüge. Dann betrachtete er den blanken Schirm. Rusty sprang auf sein Knie, kuschelte sich in seinen Schoß, ihr Schwanz kitzelte ihre eigene Nase. Er streichelte ihr mit seiner dunklen Hand den Rücken. Bertha bemerkte den massiven Silberring mit den eingelegten Rubinen an seinem Finger.
„Tut mir leid.“ Sie holte die Pfeife aus der Hüfttasche ihrer Jeans, deren vertraute Form ihre Hände beruhigten.
„Keine Ursache.“ Er bewegte sich, worauf Rusty anklagend murrte und sich räkelte. „Denn Sie hatten recht, Kapitän, und ich habe die richtige Entscheidung getroffen, mit Ihnen zu kommen. Das Demarchy darf Ihr Schiff nicht bekommen – niemand in Himmels Gürtel darf das… Ich sage das nicht wegen der Dinge, die mir widerfahren sind…“ Aber etwas in seiner Stimme verriet ihr, daß das nur die halbe Wahrheit war. „Schon als ich das erste Mal von diesem Schiff hörte, wußte ich, zu viele Leute würden damit Gott spielen wollen.“ Er sah auf. „Auch wenn es nicht recht von mir ist, ich würde Ihr Schiff immer noch dem Demarchy übergeben, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte – weil ich es damit vielleicht retten könnte. Aber das könnte ich wahrscheinlich nicht. Die Regierung ist zu schwach, sie könnte gegenwärtig ihre Position keinesfalls halten.“ Seine Finger gruben sich in das nachgiebige Polster des Sessels, sein Gesicht war ausdruckslos. „Darum sage ich Ihnen das. Ich werde Ihnen helfen, von hier zu verschwinden, wo immer ich kann. Ich werde alles tun, was Sie von mir verlangen. Als meine letzte Tat für das Demarchy, um den Menschen dort einen letzten, kleinen Zeitvorsprung zu verschaffen – und um sie vor sich selbst zu retten.“ Seine Augen glitten zu Diskus, der auf dem Schirm zu sehen war. „Wenn ich schon ein Verräter sein soll, dann werde ich auch ein guter Verräter sein. Ich will stolz auf meine Arbeit sein können.“
Sie riß sich gewaltsam davon los, jeder seiner Bewegungen zu folgen. Ihr Gesicht war heiß. „Wenn Sie das wirklich ernst meinen, Abdhiamal, dann… nehme ich Ihre Hilfe an, welchen persönlichen Motiven sie auch immer entspringen mag. Ich muß alles wissen, was Sie mir über die Ringbewohner – die Ringer – erzählen können, ganz besonders benötige ich Anzahl und Standort ihrer Destillen. Egal wie primitiv sie sind, wenn wir ihnen mit einem unbewaffneten Schiff etwas stehlen wollen, müssen wir es sorgfältig planen… Und wie Sie schon sagten, bisher war ich bei der Durchsetzung meiner Wünsche nicht sehr erfolgreich. Strategie war schon immer Erics Sache
– nie meine.“
„Ganz im Gegenteil. Auf Mekka haben Sie uns alle übertrumpft.“ Er bedachte sie mit einem ironischen, beifälligen Lächeln. „Ich glaube, ich kann Ihnen ausreichend genaue Koordinaten geben. Vor etwa zweihundertfünfzig Megasekunden habe ich lange Zeit in den Ringen verbracht, als ich ihnen half, ihre Hauptdestille zu vergrößern. Tatsache ist, ich habe…“ Plötzlich
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