In den Trümmern des Himmelsystems
Haut auf bronzefarbener Haut. Wegen dieses Schiffes würde ihre Welt leben… und seinetwegen würde nichts mehr in Ordnung sein, was ihr eigenes, persönliches Leben anbelangte. Irgendwo hörte sie Wasser tropfen, wie Tränen. Eine verdorrte Blüte fiel auf die kalten Kacheln zwischen ihnen.
Bertha verließ das Labor so lautlos wie sie gekommen war und ging schweigend die Treppe hoch.
Ranger (Diskanisches Hoheitsgebiet)
+ 2,70 Megasekunden
Diskus, ein rötlicher Karneol von der Größe einer Faust, war vor dem silbernen Hintergrund deutlich zu sehen. Die Ringe, fast horizontal, waren Streifen geschmolzenen Lichts, die sich auf dem Schirm ausbreiteten. Wadie schwebte im Zentrum des Kontrollraums, seine Gedanken kreisten um das Objekt, das die Ebenmäßigkeit der Szenerie störte: Schnee-der-Errettung, dreißig Bogensekunden vor Diskus im Orbit, jenseits der Untiefen der Gravitationsquelle. Schnee-der-Errettung, das man vor dem Krieg Bangkok genannt hatte, die Hauptdestille der Ringe. Nur eine von fünfen, doch ihr Ausstoß lag um das Zehnfache höher als jener der restlichen vier zusammengenommen. Was zum Teil daran lag, daß sie über eine Nuklearbatterie verfügte, die im Demarchy gebaut worden war, teilweise aber auch daran, daß man beim Transport einen Linearbeschleuniger einsetzen konnte, der ebenfalls aus dem Demarchy stammte, hier aber unvergleichlich nützlicher war, weil der Transport nur über kurze Strecken erfolgte. Die eigenen, primitiven Verbrennungsraketen der Ringe wurden damit zu hoffnungslos überholten Tankern.
Er erinnerte sich an Schnee-der-Errettung, wie es bei seiner Ankunft mit den Ingenieuren des Demarchy ausgesehen hatte: ein endloses Grau, das über den Eisflächen und Steinwüsten lag, eine Kälte, die einem in die Knochen kroch, bis man sich nicht mehr erinnern konnte, was Wärme war, eine zahlenmäßig kleine, graue Bevölkerung, die fast im Fegefeuer lebte. Eine Bevölkerung, die fanatisch bis an den Rand des Irrsinns war – in den Augen des Demarchy. Er war entsandt worden, um zu verhindern, daß das Demarchy und die Ringe sich gegenseitig zerfleischten. Außer ihm hatte jeder andere qualifizierte Mann diese Aufgabe abgelehnt. Er war gekommen, um zwei Völker zu sehen, die bei allem Argwohn niemals ihr Ziel vergaßen: zu retten, was noch zu retten war. Und in den fünfzig Megasekunden, die er in diesem grimmigen und einsamen Exil verbrachte, hatte er eine große Zahl von Menschen kennengelernt, die er nur als Freunde bezeichnen konnte, und er hatte mehr von der Großen Harmonie der Ringbewohner kennengelernt als jeder andere Demarchos. Er hatte das kärgliche Leben der Ringbewohner verstehen gelernt, er hatte eingesehen, weshalb sie sich an ihre repressive, kollektivistische Ideologie klammerten: Sie alle wußten, daß sie entweder zusammenhielten oder untergehen würden…
Die Stimme des Kapitäns rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Er richtete sein Augenmerk auf sie, wie sie so frei vor dem Schirm schwebte, ihr Haar driftete sanft, befreit vom Druck der Gravitation, die Ärmel hatte sie bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Während er sie anstarrte, überlagerte die Gegenwart die Vergangenheit. Die saubere, farbige Wärme des Kontrollraums strahlte plötzlich eine Kargheit aus, die Morningsides Schlichtheit seltsam frivol erscheinen ließ.
Morningside… würde er dieses Volk jemals so verstehen können wie die Ringbewohner? Wie lange dauerte es, bis man Kontakt zu Menschen fand, die mit jeder einzelnen Bewegung gegen das Ordnungsgefühl verstießen? Deren Verhalten jeden Versuch der Kategorisierung unmöglich machte und deren Motive einem wie Wasser zwischen den Fingern hindurchrannen… Vor vier Kilosekunden war er in die oberste Etage gekommen, um sich etwas zu essen zu holen, und dort hatte er den Kapitän und Welkin bereits im Speisesaal vorgefunden, zusammen mit der gitarrespielenden Bird Alyn. Sie alle hatten zusammen gesungen, und man hätte kaum glauben mögen, daß sie in vier Kilosekunden einen Akt der Piraterie begehen oder einer Entscheidung gegenüberstehen würden, von deren Ausgang ihrer aller Leben abhing…
Gemeinsam wollen wir weiter wandern,
Unser Lied niemals enden kann…
Oder vielleicht, schoß es ihm plötzlich durch den Kopf, sangen sie auch nur deshalb, weil sie es ganz genau wußten und ihre Gedanken verzweifelt ablenken wollten.
Nicht was man singt oder wie,
hatte Clewell gesagt,
sondern was man dabei fühlt.
Plötzlich war er sich seiner
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