In den Waeldern des Nordens - V3
keine Angst kennt und sich nicht fürchtet vor der Dunkelheit. Ich bin ein starker Mann, wie mein Vater vor mir, und mein Kopf ist klar. Weder du noch ich, keiner von uns beiden hat die unsichtbaren bösen Mächte mit Augen gesehen.«
»Aber Scundoo hat es«, antwortete La-lah. »Und Klok-No-Ton auch. Das wissen wir.«
»Woher weißt du das, du Sohn eines Toren?« donnerte Sime, und sein heißes Blut färbte seinen dicken Stierhals.
»Aus ihrem eigenen Munde, daß du es weißt.«
Sime schnaubte. »Ein Schamane ist auch nur ein Mensch. Können seine Worte nicht falsch sein wie deine und meine? Pah! Pah! Nicht so viel gebe ich für alle deine Schamanen und alle Teufel deiner Schamanen!«
Und nach rechts und links mit den Fingern schnippend, verließ Sime den Kreis der Zuschauer, die ihm ängstlich und beflissen Platz machten.
»Ein guter Fischer und ein starker Jäger, aber ein böser Mensch«, sagte einer.
»Aber er gedeiht doch«, grübelte ein anderer.
»Darum sei auch du böse und gedeihe«, gab Sime über die Schulter zurück. »Und wenn ihr alle böse wäret, so brauchtet ihr keinen Schamanen. Pah! Ihr seid Kinder, die sich vor der Dunkelheit fürchten!«
Und als Klok-No-Ton mit der Nachmittagsflut kam, klang Simes trotziges Lachen noch ebenso dreist, ja, er konnte sich nicht einmal einen Witz verbeißen, als der Schamane beim Landen auf dem Sande ausglitt. Klok-No-Ton blickte ihn mürrisch an und schritt grußlos mitten durch sie hindurch nach Scundoos Haus.
Über die Begegnung mit Scundoo erfuhr keiner vom Stamme etwas, denn sie standen ehrerbietig in einiger Entfernung zusammen und flüsterten miteinander, während die Herren des Geheimnisses sich trafen.
»Sei gegrüßt, o Scundoo!« brummte Klok-No-Ton, augenscheinlich im Zweifel, wie der andere ihn empfangen würde.
Er war ein wahrer Riese und ragte weit über den kleinen Scundoo empor, dessen dünne Stimme wie das schwache ferne Zirpen einer Grille tönte.
»Sei gegrüßt, Klok-No-Ton«, antwortete er. »Dein Kommen macht den Tag schön.«
»Aber es scheint...«, Klok-No-Ton zögerte.
»Jaja«, fiel der kleine Schamane ungeduldig ein, »daß böse Tage über mich gekommen sind, sonst brauchte ich dir nicht zu danken, daß du meine Arbeit tust.«
»Es tut mir leid, Freund Scundoo...«
»Nein, ich freue mich, Klok-No-Ton.«
»Aber ich will dir die Hälfte von dem geben, was man mir gibt.«
»Nein, nein, mein guter Klok-No-Ton«, murmelte Scundoo mit einer abwehrenden Handbewegung. »Ich bin dein Sklave, und meine Tage sind von dem Wunsch erfüllt, dir Freundschaft zu erweisen.«
»Wie auch ich...«
»Wie auch du mir jetzt Freundschaft erweisest.«
»Ist dem so, so sage mir, ob es eine schlimme Geschichte mit den Decken dieser Frau Hooniah ist?«
Der große Schamane fühlte sich vorsichtig vor, und Scundoo lächelte ein blasses fahles Lächeln, denn er war gewohnt, in den Herzen der Menschen zu lesen, und alle Menschen erschienen ihm sehr klein.
»Du hast immer starke Medizin gebraucht«, sagte er. »Zweifellos wirst du bald den Täter entdecken.«
»Ja, bald, sobald meine Augen ihn gesehen haben.« Wieder zögerte Klok-No-Ton. »Sind Spitzbuben von anderswo hier gewesen?« fragte er.
Scundoo schüttelte den Kopf. »Sieh! Ist das nicht ein prachtvoller Kamik?«
Er hielt den Schuh aus Robbenfell und Walroßhaut hoch, und sein Gast untersuchte ihn mit heimlichem Interesse.
»Ich bekam ihn billig.«
Klok-No-Ton nickte aufmerksam.
»Ich kaufte ihn von dem Manne La-lah. Er ist ein merkwürdiger Mann, und ich habe oft gedacht...«
»So?« sagte Klok-No-Ton ungeduldig auf gut Glück.
»Ich habe oft gedacht«, schloß Scundoo, indem er die Stimme senkte und eine Pause machte. »Es ist schönes Wetter heute, und deine Medizin ist stark, Klok-No-Ton.«
Klok-No-Tons Gesicht klärte sich auf. »Du bist ein großer Mann, Scundoo, ein Schamane unter den Schamanen. Jetzt gehe ich. Ich werde stets an dich denken. Und der Mann La-lah ist, wie du sagst, ein merkwürdiger Mann.«
Scundoo lächelte, noch fahler und blasser, schloß die Tür hinter seinem sich entfernenden Gaste und verriegelte sie sorgsam.
Sime setzte sein Kanu instand, als Klok-No-Ton an den Strand kam, und er unterbrach seine Arbeit gerade lange genug, um herausfordernd seine Büchse zu laden und neben sich zu legen.
Der Schamane bemerkte es und rief: »Laß alle Leute sich hier an dieser Stelle versammeln! So befiehlt Klok-No-Ton, der Teufelsucher und
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