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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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wußte, daß Ty-Kwan Eile gehabt hatte, die Decken loszuwerden, damit sein eigenes Volk der Regierung keine Rechenschaft abzulegen brauchte, war Hooniahs Stolz unerschüttert. Und weil die andern Frauen sie beneideten, war ihr Stolz ohne Ende und schrankenlos, so daß er sich über die Grenzen des Dorfes hinaus über die ganze Küste Alaskas von Dutch Harbour bis St. Mary verbreitete. Ihr Totem war mit Recht berühmt, und ihr Name lebte auf den Lippen von Männern, wo immer Männer zusammenkamen, um zu fischen oder zu schmausen, eben wegen der Decken und deren wunderbarer Dicke und Wärme. Nun aber waren sie verschwunden – man stand vor einem Mysterium.
    »Ich hatte sie gerade an die Hüttenwand in die Sonne zum Trocknen gehängt«, erklärte Hooniah zum tausendsten Male ihren Thlinket-Schwestern. »Ich hatte sie gerade aufgehängt und mich umgedreht; denn Di Ya, der Teigdieb und Mehlfresser, der er ist, stand kopfüber in dem großen eisernen Topf, so daß seine Beine wie die Zweige eines Baumes im Winde schwankten. Und ich hatte ihn eben herausgezogen und zweimal mit dem Kopf gegen die Tür gestoßen, um ihm Vernunft beizubringen – und denkt euch: da waren die Decken weg!«
    »Weg waren die Decken!« wiederholten die Frauen in ehrfurchtsvollem Flüstern.
    »Ein schwerer Verlust«, sagte eine, und eine zweite: »Nie hat es solche Decken gegeben.« Und eine dritte: »Dein Verlust tut uns leid, Hooniah.« Dennoch war jede der Frauen im Herzen froh, daß die abscheulichen Decken, die so viel Zwietracht veranlaßt hatten, weg waren.
    »Ich hatte sie gerade in die Sonne gehängt«, begann Hooniah zum tausendundersten Male.
    »Jaja«, sagt Bawn müde. »Aber es war keiner von den Spitzbuben aus andern Dörfern hier. Und daher ist es klar, daß es irgend jemand von unserm eigenen Stamme gewesen sein muß, der sich an den Decken vergriffen hat.«
    »Wie ist das möglich, o Bawn?« ertönte es in ärgerlichem Chor von den Frauen. »Wer sollte das sein?«
    »Dann ist es Hexerei gewesen«, fuhr Bawn stumpfsinnig fort, ließ jedoch einen schlauen Blick über ihre Gesichter schweifen.
    »Hexerei!« Und bei dem furchtbaren Worte dämpften sie ihre Stimmen und blickten sich ängstlich an.
    »Ja«, bestätigte Hooniah, und einen Augenblick flammte die versteckte Bosheit in ihr jubelnd auf.
    »Und sie haben nach Klok-No-Ton geschickt und starke Ruder mitgegeben. Er kommt sicher mit der Nachmittagsflut.«
    Die kleinen Gruppen brachen auf, und Furcht legte sich auf das Dorf. Von allem Unglück war Hexerei das entsetzlichste. Mit den ungreifbaren und unsichtbaren Mächten konnten nur die Schamanen es aufnehmen, und weder Mann noch Weib oder Kind konnte bis zum Augenblick der Probe wissen, ob ihre Seelen vom Teufel besessen waren oder nicht. Und von allen Schamanen war Klok-No-Ton, der im Nachbardorfe wohnte, der furchtbarste. Keiner fand mehr böse Geister als er, keiner suchte seine Opfer mit schrecklicheren Foltern heim. Einmal hatte er sogar einen Teufel gefunden, der im Leibe eines drei Monate alten Kindes wohnte – einen äußerst widerspenstigen Teufel, der sich erst austreiben ließ, nachdem das Kind eine ganze Woche auf Dornen gelegen hatte. Die Leiche war dann ins Meer geworfen worden, aber die Wellen schleuderten sie immer wieder an den Strand wie einen Fluch über das Dorf, und sie verschwand erst wirklich, als zwei kräftige Männer bei Ebbe an Pfähle gebunden und ertränkt waren.
    Und nach diesem Klok-No-Ton hatte Hooniah jetzt geschickt. Besser wäre es gewesen, wenn Scundoo, ihr eigener Schamane, sich nicht mit Schande bedeckt hätte. Denn er war immer milder aufgetreten und hatte einmal zwei Teufel aus einem Manne gejagt, der später sieben gesunde Kinder zeugte. Aber Klok-No-Ton! Es schauderte sie vor trüben Ahnungen bei dem Gedanken an ihn, und jeder einzige fühlte sich als das Ziel anklagender Augen und sah anklagend die andern an – jeder einzige, mit Ausnahme von Sime, und Sime war ein Lästerer, dessen schlimmes Ende mit Sicherheit vorausbestimmt war, die durch seine Erfolge nicht erschüttert werden konnte. »Ho! Ho!« lachte er. »Teufel und Klok-No-Ton! Es gibt keinen größeren Teufel als ihn selber im ganzen Thlinket-Lande.«
    »Du Narr! Jetzt kommt er gerade mit seinen Hexereien und Zauberkünsten; halte deine Zunge im Zaum, daß dir nichts Böses widerfährt und deine Tage nicht kurz werden im Lande!«
    So sprach La-lah, auch der Sünder genannt, und Sime lachte höhnisch.
    »Ich bin Sime, der

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