In der Brandung
sich nachts in Lokalen herumtrieben, um die Zeit totzuschlagen, Frauen aufzureißen oder unsaubere Geschäfte abzuwickeln.«
»Entschuldigen Sie meine Frage, sie ist vielleicht dumm, aber wurde die Zeit, die Sie in diesen Lokalen verbrachten, als Arbeitszeit verbucht?«
»Am Anfang wurde das nicht so genau unterschieden. Doch dann merkten meine Vorgesetzten, dass ich beim Besuchen dieser Orte durchaus für unser Büro arbeitete. Ich holte Nachrichten ein, besorgte Telefonnummern, Autokennzeichen, Adressen. Ich sprach mit vielen Leuten, und die Informationen, die ich sammelte, dienten dazu, Ermittlungen voranzutreiben, bei denen beschattet, beobachtet, abgehört werden musste. Wenn die Information das Eintreffen einer Lieferung oder den genauen Aufbewahrungsort von Betäubungsmitteln betraf, gingen wir direkt mit Durchsuchungen, Festnahmen und Beschlagnahmungen vor. Nach und nach gaben meine Vorgesetzten mir immer mehr Freiheiten, so lange, bis ich keine genau definierten Arbeitszeiten mehr hatte.«
»Sammelten Sie nur die Informationen, oder nahmen Sie auch teil an den Festnahmen und dem ganzen Rest?«
»Anfangs war ich bei allem dabei, soweit das möglich war. Es kam vor, dass mir jemand sagte, in dieser Wohnung oder jenem Lagerraum befände sich der Stoff. Dieser Ort gehörte dann natürlich nicht der Person, die mich informiert hatte, und in solchen Fällen ist es wichtig, bei einer Festnahme dabei zu sein. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der … wie könnte man sagen?«
»Der Befriedigung?«
»Ja, genau. Der Befriedigung. Wir haben ja schon darüber gesprochen, wie das mit den Festnahmen ist. Je mehr ich in gewisse Milieus eindrang, desto ungünstiger wurde es, wenn man mein Gesicht mit dem meiner Kollegen assoziierte. Mit der Zeit bestand meine Arbeit immer mehr darin, mich mit Dealern, Zuhältern und Hehlern herumzutreiben, und immer weniger darin, Telefongespräche abzuhören oder Durchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Festnahmen durchzuführen.«
»Haben Sie sich von Anfang an wohl gefühlt in dieser Situation?«
»Gute Frage. Ja, ich fühlte mich wohl, und ich glaube, dass es mir gefiel, aber heute fällt es mir schwer, das zu beurteilen.«
»Machte es Spaß ?«
»Spaß?«
Spaß.
Hatte er damals Spaß? Ja, vermutlich schon, auch wenn er das nie zugeben würde. Abgesehen davon, ob es nun eigentlich korrekt war, von Spaß zu reden, gefiel ihm damals dieses zügellose Dasein zwischen zwei Welten, die Erlaubnis, gegen die Regeln der normalen Arbeit und des normalen Lebens eines Carabiniere zu verstoßen.
Der Doktor unterbrach seine Gedanken.
»Bereitet Ihnen dieses Wort Schwierigkeiten?«
»Vielleicht ein wenig. Ich weiß zwar nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund macht es mir Schwierigkeiten.«
»Gut. Sprechen Sie nur weiter.«
Na ja, du könntest mir doch auch erklären, weshalb ich mich unbehaglich fühle. Ich meine, ich glaube zwar, es zu wissen, aber du könntest es mir erklären, statt die Dinge immer in der Luft hängen zu lassen, denn so könnte ich mir eine genauere Vorstellung von dem machen, was in mir abläuft. Er hämmerte gegen seine Schläfe. Als wolle er einen Satz unterstreichen, den er gar nicht ausgesprochen hatte.
»Wie ich schon sagte, gehörte ich mittlerweile in die Szene und hatte mir einen Ruf als Gauner geschaffen.«
»Warum das?«
»Wenn die Rede darauf kam, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiente, sagte ich, ich würde mich mit internationalen Transporten beschäftigen. Ohne genauer zu definieren, um was für Güter es sich handelte. In einigen Fällen wurde ich jedoch ein wenig vertraulicher. Ohne je wirklich deutlich zu werden, erwähnte ich Südamerika, Kolumbien, Venezuela. Ließ durchblicken, dass ich im Ausland ein luxuriöses Leben führte, dass ich einflussreiche Freunde hatte. Solche Dinge eben. Oft fuhr ich dort mit teuren Autos vor, die meine Kollegen und ich uns von Autohändlern ausliehen. Das machte natürlich einen starken Eindruck. Dazu kamen noch die Sprachen. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass ich nicht nur Englisch spreche, sondern auch Spanisch?«
»Nein. Wie kommt das?«
»In Kalifornien ist das normal, vor allem an der Grenze zu Mexiko. Und außerdem war Spanisch die Muttersprache meines Vaters. Seine Eltern, meine Großeltern, waren Mexikaner. Sie waren in die Vereinigten Staaten eingewandert.«
»Ach so, ja. Ihr Nachname ist ja auch hispanisch.«
»Eines Abends, oder besser, eines Nachts, war ich wieder in einem dieser Lokale. Ich
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