In der Brandung
Jungs, ich handle auch mit Kokain, aber da handelt es sich um ein halbes Kilo alle zwei, drei Wochen. Ich verkaufe es an die Freier der Huren und an ein paar Freunde. Aber in einer solchen Situation wüsste ich nicht, wie ich vorgehen soll.«
»Was hast du dem Kolumbianer gesagt?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich interessiert bin, aber dass ich vorher noch mit meinem Partner für die Drogengeschäfte sprechen muss.«
»Aber du hast keinen Partner für Drogengeschäfte.«
Jaguar lächelte und zog eine Grimasse, mit der ein Schmierenkomödiant Schlauheit hätte ausdrücken können. Er war sichtlich zufrieden mit sich.
»Da hast du also gedacht, du könntest mit mir sprechen und mich als deinen Assistenten anheuern.«
»He, ich hab mich schon entschuldigt, da hab ich mich falsch ausgedrückt. Wir wären Partner, und das bei einem irren Geschäft. Ich habe den Kontakt und das Geld für die Investition. Du könntest die Sache abwickeln: dorthin fahren, die Leute treffen, den Transport organisieren. Wenn wir uns zusammentun, drehen wir die ganz große Nummer.«
»Du willst dir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, stimmt’s?«
Jaguar lachte meckernd, bevor er antwortete.
»Natürlich nicht. Bei diesen Mengen reicht ein Dutzend Transporte, damit ich mir eine Südseeinsel kaufen kann und nie wieder arbeiten muss. Und das Gleiche gilt für dich.«
Im Laufe der Jahre sollte Roberto an die bizarre und grausame Situation zurückdenken, in die Mario Jaguar geraten war. Vollkommen allein, und aus eigenem Antrieb. Er hatte sich die Schlinge gesucht, die ihn erwürgen sollte, und selbst den Kopf hineingesteckt, während er fröhlich schlechten Champagner zu 300 Euro die Flasche in sich hineinschüttete.
»Hast du einen Ausweis?«
»Einen Ausweis?«
»Ja, einen Führerschein, Personalausweis, einen Mitgliedsausweis vom Mickey-Mouse-Club, irgendetwas.«
»Wozu?«
»Bevor ich mit jemandem ein Geschäft mache, will ich wissen, wer er ist. Du gibst mir deinen Ausweis, ich schreibe die Daten ab, lasse sie von einem Freund, der an der richtigen Stelle sitzt, überprüfen, und dann sehen wir uns in drei Tagen hier wieder und reden weiter. Wenn alles in Ordnung ist, hast du nichts zu befürchten. Andernfalls kommst du in drei Tagen einfach nicht wieder. Natürlich kannst du dich auch weigern, mir deinen Ausweis zu geben, dann haben wir einfach ein Glas zusammen getrunken und uns freundschaftlich unterhalten. Freundschaftlich ist in diesem Fall natürlich nur eine Redensart.«
Jaguar seufzte. Dann erhob er sich mühsam vom Stuhl, holte seine pralle Brieftasche aus der linken hinteren Hosentasche und zog einen abgewetzten Führerschein hervor.
»Geht der?«
Roberto nahm ihn, ohne ein Wort zu sagen. Er öffnete ihn und sah das Foto eines jungen Mannes, der noch nicht Jaguar hieß, noch nicht mit Huren handelte und noch kein Wucherer war, der einfach ganz normal aussah. Wie einer, der zur Uni geht oder einen Job sucht, der mit seiner Freundin ausgeht, Pizza essen oder ins Kino, der mit seinen Freunden Fußball spielt und zwischendurch mal ein Foto am Automaten macht, für den Führerschein. Und dann nimmt sein Leben plötzlich eine Wendung, und er verwandelt sich in Mario Jaguar, den Zuhälter, Wucherer und zukünftigen (glücklosen) internationalen Drogenhändler.
Roberto rief die Kellnerin und ließ sich einen Stift bringen. In Wirklichkeit trug er einen bei sich – das tat er immer –, aber er wollte auf gar keinen Fall, dass der andere Verdacht schöpfte. Zu welchem Zweck sollte ein internationaler Drogenhändler, ein professioneller Verbrecher, einen Stift dabei haben? Einen Stift brauchten die Bullen, wenn sie aufschreiben mussten, was sie sahen, damit sie es nicht vergaßen, aber ein Verbrecher hat normalerweise keinen Stift bei sich. Wenn er einen braucht, leiht er ihn sich. Eben.
Nachdem Roberto die Personalien von Mario Binetti, genannt Jaguar, auf einer Papierserviette notiert hatte, gab er ihm den Führerschein zurück. »Ich gehe jetzt. Wenn alles in Ordnung ist, sehen wir uns in drei Tagen wieder, um dieselbe Zeit. Wenn nicht, dann sehen wir uns besser nicht wieder.«
»Wir werden uns wiedersehen, und ich werde dich reich machen. Wenn du jemand bei den Bullen kennst, werden sie dir schon sagen, wer Jaguar ist. Darunter sind einige, die sich manchmal mit einem meiner Mädchen amüsieren und mich dafür in Ruhe lassen.«
Roberto musste an sich halten, um ihn nicht zu fragen, wer diese Polizisten waren.
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