In der Brandung
trotzdem erzeugte das Ergebnis bei ihm etwas, was sich anfühlte wie gute Laune.
Jetzt war es Zeit, ins Bett zu gehen. Sich die Zähne zu putzen, mit Mundwasser zu spülen, sich das Gesicht zu waschen, ohne dabei in den Spiegel zu sehen, der ihm Falten und überflüssige Kilos präsentiert hätte.
Vielleicht noch fünf Minuten vorm Computer, um die Nachrichten der Tageszeitungen zu lesen.
Ein Bericht über eine internationale Aktion gegen die Mafia erregte seine Aufmerksamkeit. Zur ’Ndrangheta gehörige Kriminelle waren in Australien festgenommen worden, und diese Tatsache – dass kalabresische Mafiosi es sich auf der anderen Seite des Erdballs bequem eingerichtet hatten – wurde als neue, beunruhigende Entdeckung verkauft.
War denn nicht allgemein bekannt, dass die ’Ndrangheta längst in Australien angekommen war – wie an vielen anderen Orten auf der Welt auch?
Vielleicht war es Leuten bekannt, die seinen Beruf ausübten, ganz offensichtlich aber nicht den Journalisten und all den anderen. Und überhaupt war es ja sein ehemaliger Beruf, korrigierte er sich.
In diesem Moment merkte er, dass er ein Selbstgespräch führte, bei dem er sich laut Rede und Antwort stand. Er fragte sich, wann das angefangen hatte, fand aber keine Antwort – »das kann ich dir auch nicht sagen, mein Freund« – und beschloss dann, dass es nicht so schlimm war. Trotzdem wollte er das nächste Mal mit dem Doktor darüber reden.
Als er mit dem Durchlesen der Nachrichten fertig war, machte er den Computer noch nicht aus. Er ging wieder zur Startseite und tippte die Wörter Werbung und Apothekerin ein. Er fand sofort das Video. Sie war deutlich jünger, ihr Gesicht war hübsch und lustig, und der Werbespot war immer noch witzig.
Von hier aus war es nicht schwer, auf andere Seiten und Videos zu kommen. Roberto entdeckte, dass sie Emma hieß – er wiederholte ihren Namen mehrmals und beschloss dann, dass er gut zu ihr passte – und dass sie viel für Film und Fernsehen gedreht hatte und dazu noch eine Menge Werbung.
Er fragte sich gerade, warum kein neuerer Film darunter war, als er einen Werbespot für Mineralwasser entdeckte, den er noch nie gesehen hatte. Er zeigte Emma, die in einem Swimmingpool mit sprudelndem Wasser schwamm. Sie trug einen Bikini und war schwanger, der Bauch wölbte sich schön über ihren mädchenhaften Körper.
Wenn es etwas gab, dessen Anblick Roberto nicht ertragen konnte, dann war es der nackte Bauch einer schwangeren Frau. Das heißt, eigentlich konnte er den Anblick von schwangeren Frauen im Allgemeinen nicht ertragen, egal, ob bekleidet oder nicht.
Also fuhr er den Computer herunter, nahm seine Tropfen und ging ins Bett.
7
Am nächsten Donnerstag kam Roberto wieder zu früh und drehte wieder eine Runde in der Umgebung. Er entdeckte, dass nur wenige Schritte von der Praxis entfernt das Museum für zeitgenössische Kunst lag, in einem alten Gebäude, in dem früher Bier gebraut worden war.
Wie oft war er hier schon vorbeigekommen? Das Gebäude war doch ein bisschen größer als der Brunnen, aber wie dieser war es ihm bis jetzt noch nie aufgefallen.
Er beschloss, es irgendwann zu besuchen. Dann ging er weiter und entdeckte ein kleines Geschäft, das gebrauchte Schallplatten und Noten verkaufte. Auf dem handgemalten Ladenschild stand King Lizard . Hinter dem Tresen stand ein Typ mit langen grauen Haaren, Lederjacke und geblümtem Hemd, dessen riesiger Kragen auf dem Revers der Jacke lag. Er war um die sechzig und sah aus, als sei seine modische Entwicklung in den frühen Siebzigerjahren stecken geblieben. Er hatte einen Computer vor sich und blickte nur kurz auf, um zu sehen, wer in den Laden gekommen war, dann starrte er wieder auf den Bildschirm.
Roberto stöberte mit einer gewissen Euphorie in den alten CDs und Vinylalben, so als suche er etwas Bestimmtes, wovon er sicher war, dass er es hier finden würde.
Als er alles durchforstet hatte, fand er, dass er nicht gehen konnte, ohne etwas zu kaufen. Er entschied sich für Nevermind von Nirvana, und als er den Laden verließ, hatte er das Gefühl, dass das Viertel ihm langsam vertraut wurde. Ein tröstlicher Gedanke.
* * *
»Haben Sie etwas bei King Lizard gekauft?«
»Ja, genau, ich habe mich dort umgesehen und diese CD gefunden. Das ist die Musik, die ich in der Zeit hörte, über die ich Ihnen erzähle, und deshalb habe ich sie gekauft. Komischer Kauz, der Besitzer.«
»Ja, er ist ziemlich skurril. Neben dem Handel mit gebrauchten CDs
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