In der Fremdenlegion (German Edition)
Das Leitmotiv der Legionsausbildung. – Brillante Marschierer. – Selbstständige Soldaten. – 40 Kilometer im Tag. – Uniform, Ausrüstung, Gepäck, Verpflegung. – Die Ausbildung des Legionärs im Detail. – Kein Gamaschendienst. – Das Praktische. – Spezialitäten der Legion. – Das Arbeitsprogramm einer Woche. – Der Legionär als Arbeiter.
Wenn im Halbdunkel des erwachenden Tages der erste rotglühende Schein der afrikanischen Morgenröte durch das Fenster des Mannschaftszimmers drang, stand der »garde-chambre« , der Mann vom Zimmerdienst, geräuschlos auf. Seine Vorsicht, ja keinen Lärm zu machen, entsprang weniger angeborenem Zartgefühl als der Kenntnis von gewissen Unannehmlichkeiten, die ihm bereitet werden würden, wenn er den Schlaf der Kameraden vorwitzig störte. Denn die Stunden des Schlafes sind ein heiliges Heiligtum des Legionärs, in das man nicht ungestraft eindringt. Als Herr von Rader zum erstenmal Zimmerdienst hatte und beim Aufstehen allerlei Geräusch machte, flogen plötzlich von allen Seiten des Zimmers schwere Soldatenstiefel auf ihn zu – eine höchst eindringliche Mahnung, hübsch leise zu sein.
Nach wenigen Minuten kehrte die Zimmerordonnanz, einen großen Tonkrug schleppend, von der Küche zurück, zündete die Petroleumlampe an, die in der Mitte der Stube hing, und gellend schallte seine Stimme durch das Zimmer:
» Au jus ! – Sauce!«
Die »Sauce« war jedoch Kaffee, starker, schwarzer, ausgezeichneter Kaffee. Mechanisch richtete sich jeder Legionär, auf den Arm gestützt, im Bett auf; mechanisch griff er hinter sich nach dem »quart« , dem blechernen Trinkgefäß, das an einem Haken am Kopfende des Bettes hing und hielt es dem Mann vom Zimmerdienst hin, der mit seinem großen Tonkrug von Bett zu Bett schritt und Kaffee einschenkte. Das starke Gebräu trieb die Schläfrigkeit schnell aus den Augen, und wenn vom Kasernenhof die grellen Trompetentöne der Reveille erklangen, sprangen alle aus den Betten.
Ein Tohuwabohu von Lärm und Durcheinandereilen begann. In einer halben Stunde schon mußten die Rekruten unten im Hof zum Ausmarsch antreten. Korporal Wassermann, der gerne bis zum letzten Augenblick im Bett blieb, schrie fortwährend:
» Le – e – vez-vous donc! Steht doch auf!«
Dann wetterte er mit dem famosen Legionsausdruck »allez schieb' los« dazwischen, den deutsche Legionäre aufgebracht haben, und der in den Sprachschatz des algerischen Französisch übergegangen ist, denn nicht nur unter Soldaten wird diese komische Verquickung von Deutsch und Französisch fortwährend angewendet, sondern Araber und Negerkinder auf der Straße, wenn sie einander zur Eile anfeuern wollen, schreien:
»Allez! Schieb los!«
»Allez schieb los! Pas du temps! Keine Zeit mehr!« brüllte der Korporal – der Tag begann mit einer hetzenden Jagd. Das Waschbassin lag unten im Kasernenflur, und man mußte vier Treppen hinunter und hinauf laufen, um sich waschen zu können. Keine Minute Zeit war übrig. Die Stiefel mußten geputzt werden; die Decken und die Matratze des Bettes mußten säuberlich gefaltet und auf dem Fußende des eisernen Feldbettes aufeinandergeschichtet werden. Dazwischen schrie der Mann vom Zimmerdienst aufgeregt, wütend:
»Quoi! Nom de Dieu – balayez au-dessous vos lits! Kehrt doch zum Donnerwetter unter euren Betten hervor!«
Die Legionsetikette hält sich in diesen Dingen sehr strenge an alte Ueberlieferung: unter seinem Bett mußte jeder Legionär selbst ausfegen, die Reinigung der Stube aber war Sache des Mannes vom Zimmerdienst, der natürlich mit seiner Fegerei nicht eher beginnen konnte, ehe unter den Betten hervorgekehrt war. Daher die quoi und Nom de Dieu! Der Mann hatte allen Grund, grob zu werden – mußte er doch exerzieren wie alle anderen, und es war keine Kleinigkeit, ein großes Zimmer zu fegen, Staub zu wischen, Wasser zu holen: alles in zehn Minuten. Und blitzsauber mußte alles sein, denn einige Minuten vor Beginn des Exerzierens schritt der Feldwebel durch die Stuben, und wenn er irgend etwas nicht in Ordnung fand, wurde der Korporal des Zimmers bestraft.
Und wenn der Korporal bestraft wurde, so sorgte er natürlich dafür, daß seine Leute auch ins Loch flogen!
Pünktlich um 6 Uhr morgens traten wir Rekruten auf dem Kasernenhof an, im Exerzieranzug: weißer Leinenanzug, blaue Schärpe, Tornister, Patronengürtel und Gewehr – Uniformen und Lederzeug von blitzender Reinlichkeit. Die geradezu pedantische Sauberkeit der
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