In der Fremdenlegion (German Edition)
letzten Araberaufstand, tief im Süden, hatten Araberweiber die Leichen von Legionären scheußlich verstümmelt, und Verwundete zu Tode gequält. Die Legionäre aber schonten dafür kein Weib mehr – und daher diese Tabaksbeutel.
An jenem Tag sah ich auch zum erstenmal den Arbeitsmarsch der Gefangenen und erschrak:
Hinter der Kaserne, auf einem kleinen viereckigen Platz zwischen Kaserne und Mauer liefen ungefähr dreißig Mann immerfort im Kreise herum. Ein Korporal kommandierte mit scharfer Stimme fortwährend: » à droit – droit; à droit – droit !«
Sie marschierten in raschem Tempo, fast im Laufschritt, im engen Kreis, in tiefgebeugter Haltung. Denn die Tornister auf ihren Rücken waren mit Steinen und Sand gefüllt, und jeder trug eine Bürde von dreißig bis vierzig Kilogramm. Ihre Gesichter sahen müde aus, und ihre Drillichanzüge waren schmutzig und zerrissen. An allen Ecken des kleinen Vierecks aber standen Wachen mit aufgepflanztem Bajonett und bewachten die marschierenden Sträflinge.
Es waren nicht etwa schwere Verbrecher, sondern nur das » peloton des hommes punis «. Die Legionäre, die wegen irgendeines kleinen Vergehens zu » prison « verurteilt sind, werden nicht nur eingesperrt, sondern müssen täglich drei Stunden lang diesen lächerlichen Arbeitsmarsch laufen, bei dem die Steine im Tornister den Rücken wund drücken, und bei dem sich solch ein Gefangener, der in Wirklichkeit nur eine kleine Disziplinarstrafe verbüßt, vorkommen muß wie ein Zuchthaussträfling.
Ich stellte mir vor, wie ich fühlen würde und was ich tun würde, wenn man mir den Sandsack auf den Rücken packte und mich im Kreise herumtriebe. Und ich erschrak.
»Allez, schiebe wir los,« sagte Guttinger. »Ins Loch komme mir alle, und die ›punis‹ « soll man net angucke. 's is so scho sauer g'nug.«
Fremdartig wie die ganze Umgebung waren viele der Menschen, mit denen man nun Schulter an Schulter lebte, und manchmal dachte ich an das Wort von wandelnden Romanen.
An einem Bett auf der anderen Seite des Zimmers, dem meinigen gegenüber, besagte das kleine Pappschild am Fußende:
Jean Rassedin
12 429
soldat première classe
Rassedin war ein Belgier und arbeitete auf dem Regimentsbureau als Schreiber. Kurz vor der Nachmittagsstunde war sein Dienst beendet. Dann stürmte er in das Zimmer, riß sich mit fabelhafter Geschwindigkeit die weißen Kleider vom Leibe, warf alles unordentlich auf sein Bett, wo es gerade hinflog, und hatte im Nu die Uniform angezogen, die auf der Straße getragen werden mußte. Die Suppe rührte er nicht an. Er ging sofort weg, aß in bel-Abbès und kam erst um zwei Uhr nachts wieder, denn er hatte einen permanenten Urlaubsschein. Er war lächerlich hochmütig, und wenn irgend jemand irgend etwas zu ihm sagte, so war seine Antwort gewöhnlich:
» M'en fou ... – das ist mir Wurst!«
Der Legionär Rassedin aß im besten Hotel der Stadt und gab mehr Geld aus als irgend ein anderer Mensch in Sidi-bel-Abbès!
Der Legionär Rassedin war reich; ein märchenhafter Krösus – für die Verhältnisse der Fremdenlegion. Er war Unteroffizier in einem belgischen Kavallerieregiment gewesen, aus irgendeinem Grunde desertiert und nach der Legion gekommen. Als Legionär hatte er verschiedene Erbschaften gemacht, eine nach der andern, und trug immer ein paar tausend Franks bei sich. In der Kompagnie hielt er sich drei Mann als Putzer, die ihm seine Sachen in Ordnung hielten, und auf dem Regimentsbureau las er Romane, denn er gab den anderen Schreibern so viel Geld, daß sie gerne seine Arbeit mitmachten. Seine Familie in Belgien hatte es durchgesetzt, daß er dort begnadigt wurde, und er hätte schon längst nach Belgien zurückkehren können. Aber – er wollte nicht! Er blieb in der Legion. Vor kurzem waren seine fünf Jahre um gewesen und er hatte sofort wieder von neuem auf weitere fünf Jahre sich engagiert.
Der Grund?
»Syphilis!« belehrte mich Guttinger, der weise alte Landsknecht, der in allen Dingen mein Mentor und Auskunftsbureau war. »Syphilis, von Madagaskar her. Ich hab ihn 'mal g'fragt, warum er sich net aus der Leschion drück.«
»Trommler, hat er g'sagt, du bist 'n alter Leschionär und ich will kein Streit mit dir haben. Geh du deinen Weg und ich geh den meinen. Ich hab' Gift im Leib; ich kann einmal sehr krank werden. Und ich will mir lieber in der Legion die Kugel vor den Kopf schießen, als die Heimat wieder lieb gewinnen und dann gehen müssen. Du stirbst irgendwo im Sand
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