In der Fremdenlegion (German Edition)
gesagt, der geringste chinesische Kuli nicht mit ihm konkurrieren könnte. Er bekommt Kleidung, Nahrung und vier Pfennige täglich – der billige, billige Legionär. Zugleich kann er als Soldat in den häßlichsten Klimaten, zu den gewagtesten Operationen verwendet werden, weil kein Hahn nach ihm kräht, und weil seine Kommandeure keine Rechenschaft für sein Leben abzulegen haben.
Die Summe, die seine Arbeit mit dem Gewehr und dem Bajonett, mit Hacke und Schaufel, mit Mörtelkelle und Zimmermannsaxt, dem französischen Staat in all diesen langen Jahren erspart hat, muß enorm sein. Und wenn den Legionär eine Kugel, der Sonnenstich, Typhus oder Dysenterie hinwegrafft, dann verursacht er keine weiteren Kosten, als ein Loch im Sand! So billig! Wahrlich, die französische Republik macht brillante Geschäfte mit der Fremdenlegion. Ruhmgekrönte Soldaten, erfolgreiche Arbeiter: alles für vier Pfennige pro Tag. Bankerotte Existenzen, als Ramschware gekauft, zu Ramschpreisen!
Alle fünf Tage bekommt der Legionär seine Löhnung ausbezahlt, hält fünf kupferne Sousstücke in der Hand und kann sich nun überlegen, ob er sich Zigarettentabak kaufen soll oder Putzzeug oder eine Flasche Wein. Denn zu einem von den dreien reicht es nur. Der Kauf einer Schachtel Zündhölzer, die ja auch in Algerien monopolisiert sind und fünf Centimes kosten, stellt für diesen sonderbaren Söldner ohne Sold schon ein sehr ernsthaftes finanzielles Problem dar, und nirgends in der Welt wird man so häufig um Feuer für eine Zigarette gebeten, wie in den Straßen von Sidi-bel-Abbès und auf dem Kasernenhof der Fremdenlegion!
Da ist es kein Wunder, wenn der Besitz von ein paar Silberstücken als etwas ungeheuer Wertvolles erscheint, und wenn der Legionär Kameraden wie Rassedin gegenüber in lächerlicher Weise kriecht und schmeichelt. Wahrhaftig, die Lektion vom Wert des Geldes kann man nirgends so gut lernen wie in der Fremdenlegion!
Lächerlich klein freilich sind die Geldsorgen der Legion, die sich um Kupferstücke drehen.
Die Glücklichsten (im Sinne der Legion gedacht) sind jene, die noch irgendeine Verbindung nach der Heimat hin unterhalten!
Da werden die fürchterlichsten Brandbriefe an Eltern und Geschwister und Freunde geschrieben. Gewöhnlich übertreibt der arme Teufel von Briefschreiber ein wenig, und seine Schilderungen von Hunger und Elend und Höllenleben sind rührend... Es müssen schon sehr hartherzige Menschen sein, die solche Legions-Briefe nicht mit einer kleinen Postanweisung quittieren. Dann ist der Jubel groß im Land von Sidi-bel-Abbès, und drei Tage lang, oder eine Woche lang oder gar noch länger wird aus dem verlorenen Sohn mit der Postanweisung ein kleiner König, der sich seine Stiefel putzen läßt, und dem es, solange die zwanzig Mark reichen, nicht im Traum einfällt, sein Bett selbst zu machen. Das besorgt ein Kamerad, und der darf dafür mittrinken! C'est la légion! Es steckt ein merkwürdiges Grandseigneurtum in der Sucht des Durchschnittslegionärs, ein paar Tage lang wenigstens den Herrn zu spielen und die Wonne zu haben, andere für sich arbeiten zu lassen – ein untrügliches Zeichen, wie bitter arm der Legionär ist.
Die Legionäre mit den Postanweisungen stellen die crême de la crême , die Elite der Legionärsgesellschaft dar. Die anderen, denen selbst die Legion das eigensinnig gerade Rückgrat nicht zu biegen vermochte (sie sind selten) oder die niemand mehr haben, der sie des Opfers von ein paar Silberstücken wert erachtet (sie sind häufig), müssen sich eben helfen, so gut es geht – sie müssen »sich dekorieren«.
Das ist die große Kunst der Fremdenlegion! Dekorieren ist ein Mischmasch von Arbeit, Witz, Schlauheit und Diebstahl schlankweg.
»Dekorier' dich!«
Das ist die Summe der Weisheit eines alten Legionärs, und die beiden Wörtchen sind der einzige Rat, den er einem Neuling gibt – geben kann. Mach' dir das Legionsleben so leicht als möglich, bedeutet dieser Rat, sorge dafür, daß dein Tabaksbeutel gefüllt bleibt, daß deine Uniformstücke in Ordnung sind, daß du möglichst oft die drei Sous hast, ohne die man nun einmal einen Liter Wein nicht bekommen kann. Wie dieses »Sich dekorieren« gemacht wird, ist höchst individuell.
Guttinger verfertigte aus bunten Tuchstückchen und altem Lederzeug farbenschillernde ceintures , Gürtel mit Legionsemblemen und Legionsknöpfen, für die er bei Arabern und spanischen Arbeitern in den Kneipen von Sidi-bel-Abbès reißenden
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