In der Fremdenlegion (German Edition)
cantinière schlechter Laune war, oder der portugiesische Gemahl zu sehr aufpaßte) kam auch Herr von Rader in die Stimmung der Nachdenklichkeit. Dann rieb er wütend an seinem Lederzeug herum und dozierte praktische Philosophie. Etwa so:
» Nom de Dieu! « (Die Flüche der französischen Sprache beherrschte Herr von Rader bereits.) » Nom de bon Dieu! D' Leschion is nischt! 'ne Zigarette und 'ne halbe Buddel Wein wachsen überall auf der Welt for einen so intellijenten Mann wie mir! Bin ick Soldat jeworden, um mir for jede Zigarette halb tot zu strampeln? Nee – der Vorteil von dat Jeschäft is' nich auf meiner Seite! Beschwindelt haben sie mir! Und ick mache mir jelejentlich dünne. Ich verflüchtige mir. Ick will Ihnen mal wat sagen, jeehrter Jenosse: ick schieb' ab!«
Später ist er einmal »abgeschoben« und hat die ganze maßlose Karte des Strafsystems in der Legion durchgemacht, der fidele Herr von Rader.
Selbst ihm, dem lustigen Kumpan, der sich so gut zu helfen wußte und der so viel Sinn hatte für groteske Farben, drängte sich immer wieder das einfache Rechenexempel der Legion auf, an dem schon so viele Tausende armer Teufel kopfschüttelnd herumgerechnet haben, und das ein arabischer Spahi einmal in sieben höhnenden Wörtern ausdrückte:
»Legionär viel Arbeit – Legionär gar nix Geld.«
Die Stadt der Fremdenlegion.
Die Promenade der Legion. – Wie Ben Mansur Kaffee bereitete. – Das Ghetto. – Der Bürger von Sidi-bel-Abbès und die Legionäre. – Wie das Regiment der Fremden sich an den Bürgern rächte. – Das verbotene Stadtviertel. – Vom primitiven Laster. – Bauchtanz. – Die Gärten und die Ruhestätte der toten Männer des Regiments. – Ein schwäbischer Ritter der Ehrenlegion.
En ville! Nach Sidi-bel-Abbès! Jeden Tag kurz vor sechs Uhr nachmittags begann eine wahre Völkerwanderung von der Legionskaserne nach der Stadt. Lieber putzte und polierte der Legionär noch eine Stunde lang nach dem Zapfenstreich im Halbdunkel der Nachtlampe, als daß er die Promenadestunde hätte vorbeigehen lassen. Das Spazierengehen in Bel-Abbès gehörte zum Legionston, täglich gingen wir in die Stadt. Um fünf Uhr wurde die riesengroße Gitterpforte der Legionskaserne geschlossen, und nur ein kleines Seitentürchen blieb offen. Dort postierte sich der Sergeant der Wache und musterte mit scharfen Augen einen jeden, der zur Promenade gehen wollte, damit der Ruf der Legionseleganz nicht leide. Die Uniform zur Promenade wurde jeden Tag durch einen besonderen Regimentsbefehl genau vorgeschrieben – jeder Legionär trug die gleiche Uniform, rote Hose und blaue Jacke oder weiße Hose und blauen Mantel, und jeder setzte seinen Stolz darein, in seiner Uniform möglichst elegant und möglichst kokett auszusehen.
Dreitausend Fremdenlegionäre promenierten allabendlich in den Straßen von Sidi-bel-Abbès. Mir war dieses Spazierengehen ein wundersam Ding in dem winzig engen Kreis des Legionslebens. In weicher schmeichelnder Abendluft strahlten die elektrischen Bogenlampen, überdacht von der glitzernden Sternenpracht eines südlichen Himmels. Negerjungen in weißen Pluderhosen, deren unzählige Falten Romane hätten erzählen können von gestohlenen Kleinigkeiten, lungerten an den Straßenecken herum und riefen gellend die Abendzeitung aus, das » Echo d'Oran «. Araber im weißen Burnus, den gefährlichen Araberstecken in der Faust, der ihnen eine nie fehlende Schleuderwaffe ist, standen schweigsam da und betrachteten mit mißtrauischen Blicken die »Rumis«, die weißen Fremden, die ihnen immer Fremde bleiben werden, deren Sitten sie nie verstehen können. Der Bürger von Sidi-bel-Abbès ging flanierend spazieren; Offiziere und Zivilbeamte des » bureau arabe « führten ihre Damen, dazwischen schwere Soldatenschritte und leise klirrende Legionsbajonette.
Vier Straßen, die schnurgerade nach Süden, nach Norden, nach Osten und nach Westen laufen, nach Oran, Daya, Maskara und Tlemcen, teilen die Stadt in rechte Winkel. Sie sind die Hauptstraßen, an denen die europäischen Läden und die eleganten Cafés liegen. Aus internen Budgetgründen kauft der Legionär nichts in diesen Läden, und in den eleganten Cafés wird er schlecht behandelt. In den Hauptstraßen hat der Legionär nichts zu suchen – nach Ansicht des braven Bürgers von Sidi-bel-Abbès. Zwischen den Hauptstraßen aber liegt ein Gewirr von winkeligen Gäßchen, in deren jedem geschachert und gehandelt wird. Dort wohnen spanische Juden und
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