In der Gewalt der Banditen
mich auf. Alles war kalt und dunkel.
„M´am? Hier oben! Reichen sie mir ihre Hand …“
Mein Blick richtete sich nach oben. Die Kutsche war auf die rechte Seite gefa l len und Perkins kauerte schräg über mir im Fenster.
„Ich werde die Türe aufmachen und sie hochziehen, ja?“, rief er so laut, als sei ich Meilen von ihm entfernt.
„Um Gottes Willen, Perkins … Hören Sie auf so zu schreien.“
Der Unfall hatte mich aus meiner Lethargie erlöst.
Perkins hatte die Türe aufgeklappt und hing nun mit halbem Oberkörper ins Kutscheninnere, wo ich versuchte, meine zahllosen, störenden Röcke so weg zu schieben, dass ich sicheren Tritt fassen konnte, um mich dann nach oben zi e hen zu lassen.
Wir keuchten und prusteten und als er mich endlich in den nebligen Morgen befördert hatte und ich mit seiner Hilfe über Räder und Achse auf den Boden kletterte, mussten wir sogar lachen.
„Was ist mit ihrer Schulter?“, fragte ich ihn, als ich bemerkte, wie er sie mit der linken Hand drückte.
„Es hat mich vom Bock gehauen“, erklärte er bodenständig und ich musste abermals lachen.
„Was ist eigentlich passiert?“, fragte ich, nachdem wir uns wieder beruhigt ha t ten.
Noch immer die Schulter reibend, ging er um die Kutsche herum.
„Gott verdammt!“, rief er plötzlich woraufhin ich neben ihn trat.
Ein tiefes Loch tat sich genau unter der Achse auf.
„Wie kommt denn das da hin?“, fragte ich etwas tumb.
„Das hat einer gegraben, M´am.“
Und dann erstarrte er.
„Weg hier!“, zischte er plötzlich, packte mich und zog mich in das kleine Wäl d chen zu unserer Rechten.
„Was ist denn?“, beharrte ich. Doch er zischte mich nur an und zerrte mich vorwärts.
Als wir ein Stück weit ins Unterholz gelaufen waren, drückte er mich zu Boden.
„Räuber, M´am … Das ist eine Falle.“ Seine Stimme klang heiser und sein Atem ging so stoßweise, als sei er eine weite Strecke gerannt.
Ich erstarrte.
„Um Gottes Willen!“
„Sie graben diese Löcher in die Wege“, zischte er. „Und wenn dann ein G e spann kommt, bricht die Achse. Und während die Leute noch versuchen, ihren Wagen aus der misslichen Lage zu befreien, kommen sie und überfallen einen.“
Lodernde Angst stieg in mir auf.
Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Schweigend lauschten wir in den Nebel, der uns umgab. Wenn auch nicht so dick, wie außerhalb des Wäldchens.
Meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Hörte ich Schritte? Das Kn a cken von Zweigen?
„Was machen wir jetzt?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Wir warten noch ein wenig und wenn sie nicht auftauchen, sehen wir zu, dass wir am Weg entlang durch das Unterholz zurückgehen. Bis nach Dark Hill. Dort sind wir in Sicherheit.“
Und plötzlich erschien mir die Strecke, die wir zurückgelegt hatten, unendlich lang. Mein Herz hämmerte in meiner Brust.
Hatte ich auch mit Vielem gerechnet –doch nicht damit, von Räubern vergewa l tigt und ermordet zu werden …
Denn dies war das übliche Schicksal der Frauen in solchem Fall. All die schrec k lichen Geschichten tauchten wieder in mir auf, die ich von solchen Überfällen gehört hatte. Geschändete Frauen und Mädchen. Erschlagen. Erstochen. E r schossen, am Ende ihres Martyriums.
Trotz der herbstlichen Kälte begann mein Kopf zu glühen.
„Wir brauchen eine Waffe“, flüsterte ich. Perkins sah mich verwundert an.
„Wir haben keine, M´am. Die Flinte, die ich dabei hatte, liegt unter der Kutsche begraben. “
Meine Hand schloss sich um einen kräftigen Ast, der neben mir am Boden lag. Ich hob ihn hoch, was Perkins nur ein Lächeln entlockte.
„Damit schlagen Sie die Schweine augenblicklich in die Flucht, M´am!“
„Aber irgendwas müssen wir doch tun können?“
Er schüttelte den Kopf.
„Abwarten und hoffen, dass sie uns nicht bemerkt haben. Und dann den Rüc k weg antreten.“
Doch es war zu spät.
Im gleichen Moment, da Perkins das gesagt hatte, hörten wir Stimmen und Hufgetrappel.
Wir erstarrten beide.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Fast sehnte ich mich nach Dark Hill House zurück. Ja, meine Gedanken schweiften so in die Extremen, dass ich mich selbst verfluchte, Henrys dargebotene Hand ausgeschlagen zu haben.
Starrsinnig und dumm war ich gewesen. Hatte ich eine Märtyrerin aus mir m a chen wollen? Wenn dies mein geheimes Ziel gewesen sein sollte, so war ich auf dem besten Wege, es zu erreichen.
Perkins und ich wechselten stumme Blicke. Noch hatten sie unser Versteck nicht
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