In der Gewalt der Banditen
schoss aus seiner Nase, doch er wagte keine Gegenwehr.
Ich senkte meinen Kopf. Ein Gegenstand war ich. Eine Sache, um die sich ke i ner scherte.
Meine Kiefer begannen vor Qual zu mahlen. Hätte ich gekonnt, ich wäre davon gerannt. Soweit mich meine Füße getragen hätten.
„Du weißt welche Strafe darauf steht, mir etwas zu stehlen?“
„Oh Gott – NEIN! John … bitte. Ich flehe dich an … Vergib mir! Ich werde sie nie mehr anrühren. Ich wusste nicht, dass sie so viel wert ist. Bitte …“
Rotz lief aus seiner Nase, während er schwer auf die Knie fiel und unter Tr ä nenströmen flehte.
Plötzlich trat ein ältere r Räuber vor.
„John – Ich bitte dich ebenfalls … Verschone ihn! Er ist ein Idiot und wurde von seiner Gier übermannt. Wirf sein Leben und ihres …“, er nickte in meine Ric h tung. „… in eine Waagschale und dann entscheide, welches mehr Gewicht hat.“
Der Anführer würdigte ihn keines Blickes.
„Die Strafe ist klar und bekannt. Aber ich werde Gnade vor Recht ergehen la s sen …“
Der Räuber hob sein verheultes Gesicht und ich sah die Hoffnung in seinen Z ü gen.
„Du wirst einen schnellen Tod erleiden.“
Die kalten Worte wurden von eisigem Schweigen der anderen begleitet. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich das Grausamste sah: Enttäuschte Hof f nung!
Eben noch hatte der Räuber sich gerettet geglaubt und nun …
„Schafft ihn dort rüber!“, kommandierte John und deutete auf einen beinahe flachen Felsbrocken, der unweit der Feuerstelle lag.
„Nein, John. Nein. Um Jesu Christi Willen --- Verschone mich! Bitte! … Ich we r de tun was du willst, aber töte mich nicht! John …“ Sein gellender Schrei zerriss mir fast den Kopf.
Er wehrte sich gegen die beiden Männer, die ihn fest in ihrer Mitte hielten.
Ich ertrug es nicht.
Wollte meine Blicke abwenden, wie sie ihn jetzt zu Boden zwangen. Wie sich der Verurteilte zwischen ihnen wandte und um sein Leben kämpfte.
Was hatte John vor?
Sie drückten den Kopf des Räubers auf den Stein.
„John …“, wimm erte der. Das Gesicht nass von R otz und Tränen.
Der Anführer trat neben ihn und blickte für einen Moment auf den am Boden Liegenden.
Dann hob er einen Fuß und trat mit aller Macht auf dessen Nacken.
Das Krachen zerriss die Stille. Mein Magen hob sich und ich übergab mich. Ni e mals zuvor hatte ich solche Grausamkeit gesehen.
Mein Körper zitterte und ich vermochte kaum noch, mich auf den Beinen zu halten.
Wenn ich auch versuchte, nicht hinzusehen, so entging mir doch der Anblick des leblosen Leibs nicht, den die Männer nun zu viert davontrugen.
Den Kopf an dem zerborstenen Genick baumelnd.
John aber wandte sich wortlos ab und ging zurück in sein Zelt.
Bebend stand ich reglos und weinte. Tränen um Tränen flossen über meine Wangen. Verzweifelt umklammerte ich meine zerrissene Bluse über meinen Brüsten. Alles in mir war in Aufruhr.
Warum hatte Gott mir das nicht erspart?
Dass es mir das Herz zerriss, obwohl der Kerl mir so übel mitgespielt hatte. Dass ich John in solcher Erbarmung slosigkeit hatte erleben müssen.
Hatte ich mich unbeachtet gewähnt, so sah ich mich nun getäuscht, denn die Marketenderin trat vor mich, starrte mich für einen Moment an und spie dann vor mir auf den Boden.
„Wenn ich jemals erfahre, dass du dich von ihm ficken lässt … Das schwöre ich dir … häute ich dich bei lebendigem Leib, du Fotze!“
Damit verpasste sie mir einen Stoß gegen die Brust, dass ich beinahe den Halt verlor.
Die Gefahr wächst …
Die Ereignisse jener Nacht verfolgten mich ohne Unterlass.
Am Schlimmsten war die Stille, wenn ich wieder und wieder das Krachen hörte, als das Genick des Räubers gebrochen war.
Ich bewegte mich unter den Räubern wie ein lebender Leichnam. Argwöhnisch beobachtet von der Marketenderin und vor den Übergriffen der anderen nur durch deren Furcht vor Johns Rache geschützt.
Er selbst allerdings schien keine Notiz von mir zu nehmen. Wenn wir uns b e gegneten, so sah er mich kaum an. Gerade so, als sei ich wirklich nur der G e genstand, der ich für den toten Räuber gewesen war.
Am Schlimmsten aber war das Fehlen eines Menschen, mit dem ich über das Geschehe austauschen konnte. Ich sehnte mich nach einem Wesen, dem ich mich anvertrauen konnte.
Die Gefahr aber, die von dieser Sehnsucht ausging, war mir nur allzu bewusst. Je länger ich in dieser Isolation verbleiben würde, desto größer war die Gefahr, dass ich meine Gedanken
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