In der Gewalt der Banditen
unkontrolliert dem Erstbesten öffnen würde.
Doch der Druck in meinem Inneren wuchs mit jeder Stunde. Und so sehr ich mich auch abzulenken versuchte, ich konnte den Gang der Dinge doch nicht aufhalten.
Längst hatte ich jedes Gefühl für Zeit verloren. Wusste nicht, wie lange ich mich bereits in der Gewalt der Räuber befand.
Ich fühlte mich gleichsam wie eine Marionette, deren Fäden man durchg e schnitten hatte.
Um ein wenig Leben zu spüren, suchte ich stets nach einer Arbeit, die ich ve r richten konnte. Nicht zuletzt in der Hoffnung, mich den Räubern irgendwie u n entbehrlich zu machen.
Egal, wie unsinnig dieses Unterfangen auch sein mochte, es war mein einziger Strohhalm, an dem ich mich festzuklammern versuchte.
Und eben jene Suche führte mich kurz darauf an den kleinen Bach, in dem die Frauen ihre Wäsche wuschen.
Wissend, dass immer jemand dort war und die Kleidungsstücke über die Steine rieb, die am Ufer lagen, begab ich mich zum Bach.
Tatsächlich sah ich eine der älteren Frauen, die gerade mit einem hölzernen Paddel das restliche Wasser aus den Hemden schlug, die sie gewaschen hatte.
„Kann ich euch helfen?“, fragte ich behutsam, wie ich es immer tat. Dabei kni e te ich mich neben sie.
Sie hob kurz ihr Gesicht zu mir auf und nickte dann.
„Da drüben … Das kannst du auswringen …“
Ich griff nach einer Hose und drehte sie wie ein Seil um die eigene Achse, dass das Wasser herauslief.
Sie hatte viel Wäsche und so kauerten wir eine ganze Zeitlang beieinander. Stumm arbeitend.
„Stellst dich geschickter an, als die jungen Geißen, die sich hier sonst so tu m meln.“
„Danke“, erwiderte ich mit bescheidenem Ton. Zum einen musste ich vorsichtig sein, zum anderen freute mich das Lob wirklich.
„Sie sagen, du wärst die Herrin von Dark Hill …“, murmelte sie.
Was sollte ich darauf antworten?
„Ich war es. Aber mein Gemahl hat mich davongejagt.“
Sie ließ ihre Arbeit sinken und sah mich forschend an.
„Wieso sollte er das tun? Du hast ein hübsches Gesicht und kannst zupacken.“
Es waren mehr Freundlichkeiten in einem Satz, als ich in meinem ganzen Leben zusammen gesagt bekommen hatte.
Ich schluckte hart, um die Tränen zurückzudrängen.
Die Zeit im Lager hatte mich empfindsam gemacht.
„Das genügt nur nicht, wenn man einen Erben braucht und ihn nicht bekommt“, flüsterte ich.
Ich spürte die kalte Klaue der Gefahr im Nacken. Drauf und dran war ich, mich der älteren Frau zu öffnen, nur wegen eines freundlichen Satzes.
„Hat er dich nicht angefasst, oder hast du die Kinder verloren?“
Ihre Direktheit schockierte mich ein wenig.
„Ich … Er … Also, er hat mich schon … angefasst … Aber ich bin nicht schwa n ger geworden.“
Sie nickte nachdenklich.
„Ja. Die Welt ist ungerecht. Die einen wollen Kinder und bekommen sie nicht und die anderen wollen keine, und bekommen eins nach dem anderen.“
Sie hob ihr rundliches Gesicht zu mir hoch und lächelte.
„Das ist wohl wahr“, erwiderte ich.
„Hast´s nicht leicht hier, wie?“
Offensichtlich wollte sie unser Gespräch nicht abreißen lassen und ich freute mich darüber.
„Es geht.“
„Wenn John dich nicht unter seinen Schutz gestellt hätte, wärst du längst tot.“ Es war eine ruhige Feststellung, doch es schwang gleichzeitig enorme Hochac h tung vor dem Anführer in ihren Worten.
„Ja, das ist wohl so. Wenn ich auch nicht weiß, warum …“
Ein breites Grinsen strahlte mir entgegen.
„Er ist ein Mann … Er will dich. So eine feine Dame … Das ist was Neues. Auch für ihn.“
Mein Magen krampfte sich zusammen.
„Aber nimm dich vor Teresa in Acht. Sie ist eine verschlagene Wildkatze und wenn sie glaubt, dass du ihm schöne Augen machst, wird sie sie dir auskra t zen.“
Jetzt lachte sie brummend und schlug vergnüglich eine Hose kräftig auf den Stein, an dem sie kniete.
„Das glaube ich sofort. Aber ich habe kein Interesse. Ich will nur …“
„Überleben?“, ergänzte sie meinen Satz.
„Ja. Überleben.“
„Das ist schwer unter den Räubern. Zumal du gegen viele Fronten kämpfst. Seit er den Roten David getötet hat, gibt es kaum noch einen hier, der dich nicht …“
„Der Rote David?“, fragte ich und wusste doch genau, wen sie meinte.
„Er war einer seiner ältesten Gefährten hier. Nicht besonders helle, aber eine treue Seele. Eine der wenigen. Weißt du – das Leben im Lager ist hart. Und wenn ein Anführer keinen Erfolg mehr hat, gehen ihm seine
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