In der Gewalt des Jadedrachen
fort.
Sie lief zum Lift. Er war gerade da. Sie sprang hinein, drückte den Knopf und presste sich hastig an die Wand, weil sie sah, dass Joe gerade vorbeistürmte. Zwei, drei lange Sekunden, dann ging die Tür zu, der Lift fuhr los.
Sie konnte ungehindert das Präsidium verlassen, nickte sogar dem Wachbeamten unten freundlich zu und stand dann auf der Straße.
Dort blieb sie stehen und sah sich um. Ihr Atem ging so schnell, als wäre sie die zehn Stockwerke zu Fuß hinaufgelaufen anstatt mit dem Lift in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Es waren wie immer viele Menschen unterwegs – aber niemand, der dem Jadedrachen auch nur ähnlich gesehen hätte.
Sie atmete einige Male tief durch, um zur Ruhe zu kommen, und wandte sich unschlüssig nach rechts, als ihr plötzlich zwei Männer den Weg versperrten. Sie wollte an ihnen vorbei, aber sie vertraten ihr abermals den Weg. Jetzt erst bemerkte sie, dass ein Wagen neben ihr auf der Straße hielt. Ein weiterer Mann, der ebenfalls dazu gehören musste, hielt ihr die Tür auf.
Im Fonds des Wagens beugte sich jemand über den Sitz und sah heraus. Ein weißhaariger Mann. „Darf ich Sie mitnehmen, Miss McKenzie?“ Ein kaltes Lächeln spielte um seine Lippen, als sie – sowohl vor der Stimme als auch vor dem Anblick – zurückzuckte. „Ja, ich bin es tatsächlich, Nils Jackson, dein lieber Gatte. Auch wenn mich nicht einmal mehr meine eigene Mutter erkennen würde.“
Lana zögerte. Sie musterte Jackson, entsetzt über die Veränderung, während sie hastig überlegte. Wenn sie einmal einstieg, war sie völlig in seiner Gewalt und konnte Forrester nicht mehr helfen. Sie hatte vielleicht doch dumm und unüberlegt gehandelt. Aber andererseits war Jackson nicht für seine Geduld bekannt, und die Drohung, Mark etwas anzutun, war sehr ernst zu nehmen.
„Steig ein.“ Das klang schon schärfer.
Sie warf einen letzten Hilfe suchenden Blick in die Runde, als sie in der Hand eines der Männer eine Waffe sah. Wenn sie nur Joe in ihr Vertrauen gezogen hätte, aber dann wäre sie jetzt vermutlich genauso eingesperrt wie Perkins. Joe hatte von Forrester den Auftrag, sie zu schützen, und das würde er auch bedingungslos tun.
„Es wäre äußerst unklug, jetzt zu schreien“, hörte sie Jacksons Stimme. „Steig ein und mache kein Aufsehen. Möglich, dass du davonkommst, dass du die Schüsse überlebst, aber Forrester wird auf keinen Fall diese Chance haben.“
Die Straße war wie immer stark bevölkert, aber keiner der Chinesen hier würde auch nur einen Finger für sie rühren. Ihr Blick fiel auf einen älteren Mann, der einige Schritte entfernt stand und aufmerksam herübersah. Es war derjenige, der sie schon von der Nathan Road bis zum Bordell verfolgt hatte. Also doch einer von Jacksons Männern, auch wenn Mark ihr nicht hatte glauben wollen.
Auch Jackson sah ihn. Nickte ihm zu. Der andere nickte zurück. Dann verschwand er in der Menge.
Lana sah ihm kurz nach, dann stieg sie ein. Jackson scheuchte den Mann, der sich hinter ihr in den Wagen drängen wollte, fort. Die Tür wurde zugeworfen, und der Wagen fuhr los.
Lana hielt die Hände im Schoß verschränkt, um ihr Zittern zu verbergen, und sah auf Jackson.
Der schloss das Verbindungsfenster zum vorderen Wagenteil. „Du scheinst nicht sehr überrascht zu sein.“
„Nicht, seit ich weiß, dass der Jadedrache noch lebt.“
„Aber du zeigst wenig Freude, mich wieder zu sehen. Ich hätte doch mehr Emotionen erwartet.“
„Habe ich denn Grund zur Freude?“ Lana musste sich räuspern.
„Das kommt ganz auf dich an.“
Sie wandte den Kopf ab. Eine derbe, behandschuhte Hand griff an ihr Kinn und zwang sie, Jackson anzusehen.
„Gefalle ich dir nicht mehr?“
„Ist das nicht gleichgültig?“
„Nein, denn du wirst es ja schließlich noch auf unbestimmte Zeit mit mir aushalten müssen. Deshalb ist es besser, du siehst mich genau an und gewöhnst dich an mich.“
Lana musterte das starrte Gesicht, das weiße Haar. Jackson war ein sehr gut aussehender Mann gewesen, in dessen Aussehen und charmantes Lächeln sie sich sofort verliebt hatte. Aber das war lange her. Und selbst wenn er jetzt als Adonis neben ihr gesessen hätte, hätte sie das nicht mehr berührt. Sie suchte in dem fremden Gesicht nach vertrauten Zügen, aber nur noch die Augen waren zu erkennen.
„Hast du dich operieren lassen, um untertauchen zu können?“
Jackson ließ sie los und lehnte sich zurück. „Vielleicht hätte ich das getan,
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