In der Gewalt des Jadedrachen
zurück und sah sie abwartend an. Lana wusste, er wartete darauf, dass sie Fragen stellte, aber den Gefallen tat sie ihm nicht. Schon deshalb nicht, weil möglicherweise ihre Stimme versagt hätte.
„Charles spielte verrückt“, fuhr er dann von selbst fort. „Dass Sie ihm nachgereist sind, war ein reiner Glücksfall, mit dem ich nicht mehr rechnete. Doch Charles begann sich plötzlich quer zu legen. Er hatte den Auftrag, Sie nach Hongkong zu schaffen, hatte aber keine Lust mehr, Sie wie abgemacht dem Jadedrachen zu übergeben. Er wollte Sie für sich selbst haben. Was bedauerlich war. Für beide von uns. Vor allem aber für Charles. Ein Mann, der aufhört mit dem Kopf zu denken und dafür seinen Schwanz als Gehirn verwendet, lebt gefährlich. Allerdings haben wir erst hier herausgefunden, dass nicht Forrester das Hauptziel war, sondern Sie. Bis zu diesem Zeitpunkt dachten wir, Sie wären für den Drachen nur ein Mittel, um an Forrester zu gelangen. Seitdem war der Jadedrache auch hinter Charles her.“
„Wer ist der Jadedrache?“
„Das wissen Sie vermutlich besser als ich, schließlich ist er ja an Ihnen interessiert – und das bestimmt nicht ohne Grund.“
„Sie kennen Ihren Auftraggeber also nicht?“
„Keiner kennt ihn. Niemand – außer einem Kerl, der sich die Hand des Drachen nennt. Alle, die ihn gesehen haben, sind tot. Fragen Sie Ihren Freund Forrester: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Leichen irgendwelcher ehemaliger Agenten aus dem Hafen gefischt werden. Kumpane des Drachen und dadurch mögliche Zeugen.“
„Was Ihnen natürlich Angst macht“, überlegte Lana laut. „Sie müssen damit rechnen, dass es Ihnen genauso geht. Charles hat es schon erwischt.“ Sie verzog den Mund. „Ein Auftragsmörder, der von seinem Auftraggeber erledigt wird. Einmal etwas anderes.“
„Hören Sie auf zu spotten, dazu haben Sie keine Veranlassung. Sie sind ebenso dran. Und ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.“
„Und was wollen Sie jetzt von mir?“
„Zuerst wollte ich Forrester helfen, auf die Spur des Drachen zu kommen.“ Er hob mokant die Schultern. „Wäre keine schlechte Idee gewesen. Er hätte mich vom Drachen befreit, und mit etwas Glück wäre er selbst auch draufgegangen.“
„Sehr praktisch. Sie wären dann gleich beide los gewesen.“
„Aber das geht jetzt nicht mehr. Der Drache wird ungeduldig, und ich muss eine andere Möglichkeit finden, um zu überleben“, zischte Perkins „Also verwende ich Sie als Tauschobjekt.“
„Ihr Leben gegen meines?“ Lana sah ihn kalt an. „Wie stellen Sie sich das vor?“
„Indem ich den Auftrag des Drachen endlich ausführe und Sie zu ihm bringe.“
„Und Sie meinen, ich würde mitgehen?“
Perkins griff unter seine Jacke und zog eine Waffe hervor. „Es wäre klüger.“
„Aber noch klüger wäre es, Sie würden sich jetzt ganz langsam umdrehen und die Arme hochheben.“
Lana schloss vor Erleichterung die Augen. Joe. Der Knabe war doch nicht auf den Kopf gefallen, wie sie manchmal vermutet hatte. Er war unbemerkt hereingekommen und stand jetzt mit gezückter Waffe hinter Perkins. Neben ihm tauchten zwei bewaffnete Männer auf, die Lana bekannt vorkamen. Zwei der kräftig gewachsenen Chinesen, die sie gemeinsam mit Joe am Night Market eingefangen und zu Forrester gebracht hatten.
„Lassen Sie die Waffe fallen. Sie können nicht mehr entkommen.“
Perkins richtete seine Pistole auf Lana und überdachte seine Chancen.
„Was bezwecken Sie damit, wenn Sie mich bedrohen?“, fragte Lana leise. Ihre Stimme zitterte, aber sie hoffte, dass er nicht schießen würde, wenn er nicht noch schlimmer in der Tinte sitzen wollte. Entweder würde ihn Joe auf der Stelle niederknallen oder, falls er entkam, fiel er dem Drachen in die Hände. Und der war weitaus gefährlicher als Forresters junger Assistent. „Wollen Sie mich wirklich erschießen? Wenn der Jadedrache wirklich derjenige ist, für den ich ihn halte, wird er Sie dafür zu Tode quälen. Er will mich lebend. Und sei es nur, um mich selbst zu töten.“
Perkins wandte ihr den Kopf zu.
„Geben Sie auf, Perkins. Und lassen Sie Forrester seine Arbeit machen. Dann kommen Sie mit dem Leben davon. Er ist besser als Sie. Er wird mit dem Drachen fertig.“ Hoffte sie jedenfalls.
Perkins überlegte immer noch.
„Was ist?“, zischte Lana, ihre Hände waren feucht, und trotz der Klimaanlage spürte sie, wie einige Schweißperlen zwischen ihren Brüsten hinunterrannen.
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