In der Hitze der Nacht
wohin Wade geflohen war. Sie brauchte Spuren oder vielleicht doch ein Wunder. Oder einen Helden.
In diesem Moment sah sie einen Mann in der Tür stehen, der einem Helden schon recht nahe kam: Rick Marshall.
Sie straffte ihre Schultern und dachte an die schönen Dinge, die ihr in den letzten vierundzwanzig Stunden widerfahren waren. Wie gut Rick gewesen war!
Er wirkte größer und muskulöser als am Abend zuvor. Trotz der Sommerhitze trug er eine schwarze Uniformjacke. Mit seinem kurzen, dichten Haar und dem markanten Gesicht wirkte er sehr attraktiv.
Jessie lächelte ihn hoffnungsvoll an. Vielleicht hatte er bereits von ihrem Unglück gehört und wollte ihr beistehen.
„Oh, welch hoher Besuch“, witzelte sie und wunderte sich über seinen ernsten Gesichtsausdruck. Er kam näher, und sie sah in zwei zornige Augen.
War er wütend, weil sie heute früh wortlos gegangen war?
„Also, Sheriff, wegen letzter Nacht …“, begann Jessie.
„Ich bin kein Sheriff, sondern Inspector“, unterbrach er sie und bewegte kaum die Lippen dabei.
Also doch. Er war wütend. Aber ihre Abmachung war doch klar gewesen: ein One-Night-Stand und keine weiteren Verpflichtungen.
„Gut, dann Inspektor Marshall.“ Jessie war verstimmt. „Es tut mir leid, dass ich mich einfach so verdrückt habe. Ich …“
„Ich will nur mein Auto zurück.“
„Wie bitte?“
Er kam näher und senkte die Stimme. „Sagen Sie mir nur, wo mein Auto ist, und wir vergessen die ganze Geschichte, Ms. Beane. “ Er blickte kurz zu Georgia hinüber und fügte dann hinzu: „Oder soll ich lieber Mrs. Griggs sagen?“
Jessie war sprachlos.
„Sie heißt nicht Griggs“, wandte Georgia ein.
Rick warf Jessies Freundin einen kalten Blick zu.
„Nein? Ich habe da einige Namen zur Auswahl. Wie wär’s mit Sugar Jessica Hawley? Jessica Griggs? Oder etwa Sugar Beane?“
Jessie starrte ihn an. „Du hast Nachforschungen über mich angestellt?“
„Ich habe deine Spuren an meinem Bettrahmen gesichert.“
Das Blut schoss ihr ins Gesicht. „Wie kannst du nur!“
„Machen Sie das bei jeder Frau, mit der Sie schlafen?“, fragte Georgia, um Jessie zu verteidigen.
„Nur bei denen, die mein Auto stehlen.“
Jessie schob Georgia beiseite, stolperte fast und stellte sich ganz dicht vor Rick. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“
„Dann werde ich dir auf die Sprünge helfen.“ Er runzelte die Stirn. „Mein Auto wurde gestohlen. Du warst heute Nacht bei mir und bist plötzlich verschwunden, und es gibt eine lange Liste von Anklagen gegen dich wegen vielfachen Autodiebstahls und Betrugs.“
„Jeder dieser Anklagepunkte wurde fallen gelassen!“
„Vielleicht muss man den Fall erneut aufrollen.“
Jessie rang nach Luft, wütend und den Tränen nah.
Seit sie das Bett dieses Mannes verlassen hatte, nahm ihr Leben eine unheilvolle Wendung. Ihr Leben war in letzter Zeit so prima verlaufen, und nun schien sich eine Katastrophe anzubahnen. Man unterstellte ihr sogar, eine Kriminelle zu sein.
Sie versuchte sich zu sammeln. Heute war sie klüger als damals, als ihr Naivität und Unwissenheit vor Gericht alles genommen hatten. Sie würde nicht noch einmal die gleichen Fehler machen.
Jessie verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich gerade hin. „Ich möchte meinen Anwalt sprechen.“
„Genau“, bekräftigte Georgia.
Swan, die gerade hereingekommen war, hatte einen anderen Einwand.
„Entschuldigung“, mischte sich Swan ein, die gerade hereingekommen war, „diese Unterhaltung sollte im Hinterzimmer weitergeführt werden.“ Und flüsternd fügte sie hinzu: „Unsere Kunden werden schon neugierig.“
Rick packte Jessie am Arm und sagte: „Ich habe eine bessere Idee. Wir fahren gleich aufs Revier.“
Sie hätte ihm am liebsten gegen das Schienbein getreten. Erst Anschuldigungen vorbringen und dann erst Fragen stellen, das kannte sie ja schon von früher. Doch jetzt war es fast noch schlimmer. Sie hatte eine fantastische Nacht mit diesem Mann verbracht, der sich nun vom fantastischen Liebhaber zum Ankläger wandelte.
Aber Swan hatte recht. Sie mussten ihr Geschäft schützen. Also schluckte Jessie ihre Wut hinunter und nahm ihre orange Beane-Tasche. „Aber selbstverständlich begleite ich Sie“, sagte sie in hochmütigem Ton und fügte noch lauter hinzu: „Ich bin sicher, Mr. Marshall und ich können die Angelegenheit bei einer Tasse Kaffee regeln.“
Jessie verließ das Geschäft. Rick folgte ihr. Sie ging mit erhobenem
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