In der Hitze der Nacht
nicht losließ.
Er holte einen Verbandskasten aus einem Schrank und kam damit zu ihr. »Du hast sonst keine Verletzungen an den Händen. Hast du im Lagerhaus irgendwie altes Holz angefasst, als du versucht hast, rauszukommen ?« Er zog einen Stuhl neben ihren.
Sie hatte so verzweifelt versucht, dem Feuer zu entkommen, dass sie zu diesem Zeitpunkt keine Schmerzen und nur wenige Einzelheiten wahrgenommen hatte. »Ich glaube schon. Ich erinnere mich an Bretter vor einem Fenster .«
Er nahm eine Pinzette, wischte die abgeschrägten Enden mit einem alkoholgetränkten Tupfer ab und ergriff dann wieder ihr Handgelenk. Sie zuckte zusammen, als er an dem ersten Splitter zog. »Halt still .«
»Das tut weh .« Aber das war es nicht, sondern seine Hand, seine Finger auf ihrer Haut. Sein Körper, so nah, dass sie geradezu spüren konnte, wie die Hitze durch seine und ihre Kleidung drang. Sie konnte den schwachen dunklen Schatten an seinem Kinn und seiner Oberlippe sehen, deutliche Furchen der Anspannung zu beiden Seiten seines Mundes. Sie wollte seine Haut berühren, um das Kratzen seines Bartes zu fühlen.
Er muss sich immer noch zwei Mal am Tag rasieren.
»Du hast die Tulane verlassen und bist aus der Stadt fortgezogen « , murmelte er, während er den ersten Splitter herauszog und ihn in einen kleinen durchsichtigen Plastikbeutel tat. »Wo bist du hingegangen ?«
»Weg .« Sie hatte natürlich ihr Stipendium verloren, und es hatte noch ein ganzes Jahr gedauert, bis sie durch Touristenführungen im Sumpfgebiet genug Geld beisammen hatte, um wieder eine Schule besuchen zu können. An der Louisiana State University war alles anders gewesen. Niemand hatte sie gekannt, und niemanden hatte es interessiert, woher sie kam. In vielerlei Hinsicht war es gewesen, als könne sie zum ersten Mal seit Jahren wieder atmen – außer, dass sie ihn schrecklich vermisst hatte, selbst noch nach einem Jahr Trennung.
Und genauso hatte sie ihn seitdem jeden Tag vermisst.
Ihre Blicke trafen sich. »Warum ?«
Weil ich dich zu sehr geliebt habe. »Ich habe eine bessere Schule gefunden .« Sie biss sich auf die Lippen, als er ihr einen weiteren Holzsplitter aus der Hand zog. Sein Atem roch nach Kaffee und Pfefferminz. »Warum bist du Polizist geworden? Ich dachte, du landest früher oder später in der Politik .« Das war, soweit Sable sich erinnerte, die innigste Hoffnung seiner Mutter gewesen.
»Das dachte ich auch .« Sein Mund zog sich an einer Seite nach oben. »Evan trainiert jetzt Pferde, oben in Montana .« Er wechselte zu ihrer anderen Handfläche. »Cort ist Brandinspektor der Stadt .«
Evan war sie nie begegnet, aber Cort und seine Mutter hatten immer etwas gegen ihre Beziehung gehabt. Nur J.D.s Vater, Louis, hatte sich bemüht, freundlich zu ihr zu sein, und sie hatte ihn gut leiden können. »Was macht dein Vater ?«
»Älterwerden .« ErhattedenletztenSplitterentferntundlegtediePinzettebeiseite.»MeineMutterwill,dassersichzurRuhesetztundeinenmeinerCousinsdasRestaurantführenlässt,aberDadistimmernochjedenTagdort .« ErtupfteihrnocheinmaldieHandflächenab.»Warumhastdumichverlassen ?«
Der Alkohol schmerzte, aber nicht so sehr wie die Frage. Sie zog zischend die Luft ein. »Das ist längst Geschichte, J.D .«
»An dem Abend war ich gerade auf dem Weg zu dir, als meine Freunde mir entgegenkamen. Ich konnte einfach nicht glauben, was sie mir von dir erzählten. Ich bin hinter dir her und sah, wie du in diesen LKW gestiegen bist .« Als sie versuchte, aufzustehen, hielt er sie an beiden Handgelenken fest. »Ich weiß, dass du mich gehört hast, als ich dich gefunden hatte. Warum hast du dich vor mir versteckt ?«
Weil deine Freunde mich gequält und gedemütigt haben. Weil ich erst achtzehn war und Angst hatte und schrecklich verliebt in dich war. »Es ist lange her, Jean-Del .« Sie hatte seinen Namen nicht aussprechen wollen, doch jetzt schwebte er zwischen ihnen wie ein Geist aus jener längst vergangenen Zeit. Er kniff die Augen zusammen und richtete sie auf ihren Mund. »Hör auf damit. Lass michgehen .«
»Nein .« Er rückte näher. »Diesmal nicht .«
Terri Vincent kam mit einem Telefon herein und steckte es in eine Dose in der Wand, bevor sie es vor Sable auf den Tisch stellte. »Sie können jetzt telefonieren, Ms Duchesne .« Sie sah J.D. an. »Komm, gehen wir Kaffee trinken und lassen der jungen Dame ein bisschen Privatsphäre .«
J.D. fluchte leise vor sich hin, während er das Zimmer verließ.
Sable wartete,
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