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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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und exakt zu dem zierlichen Sofa paßte. Mar fragte sich, in welchen Möbeln wohl Tinas Großvater gesessen hatte, als er noch lebte. Keines dieser fragilen Gebilde schien für die Statur eines Mannes geeignet.
    Tina nutzte die Gelegenheit und setzte sich schnell in den zweiten der kleinen Sessel neben Mar. Sie war froh, daß niemand widersprach. Ihre Großmutter machte ihr tatsächlich angst, und sich neben sie auf das enge Sofa zu setzen, das kaum Platz für zwei bot, wäre ihr höchst unangenehm gewesen.
    »Jürgen?« Tinas Großmutter wandte sich mit befehlsgewohnter Stimme an ihren Sohn, aber sie sah ihn nicht an.
    Er wußte auch so, was er zu tun hatte. Er schenkte zwei Gläser mit Sherry ein und reichte sie Mar und Tina. Für sich selbst nahm er ein Whiskyglas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, das bereits auf dem goldschimmernden Barwagen gestanden hatte, der neben den Kamin geschoben war.
    »Sind Sie mit meiner Enkelin befreundet?« fragte Tinas Großmutter. Ihre blauen Augen erinnerten an Tinas, aber nur entfernt. Ihr Ausdruck war hart, auch wenn ein süßes Lächeln, das in ihrer Jugend bestimmt viele Männer den Verstand gekostet hatte, davon abzulenken versuchte.
    »Nein.« Mar schüttelte den Kopf. Ihr ganzer Körper war auf Alarm geschaltet, wie vor Gericht, wenn sie gegnerische Angriffe abwehren mußte. In solchen Momenten konnte ihr keine Frage etwas anhaben. Alles, was zählte, war nur die Einschätzung der richtigen Antwort. »Ich vertrete Tina in einer anderen Angelegenheit. Deshalb habe ich angeboten, sie hier ein wenig zu unterstützen. Natürlich nur ganz inoffiziell.« Mars Lächeln war irreführend, sie war aufs höchste angespannt, denn sie hatte den Eindruck, hier stimmte etwas nicht, so freundlich sich Tinas Großmutter und Onkel auch gaben. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut, wenn sie vor Gericht Zeugen befragte und die ihr frech ins Gesicht logen. »Selbstverständlich braucht sie eigentlich gar keine Unterstützung. Es ist ja alles schriftlich geregelt. Was auch niemand in Frage stellt«, schloß sie gespielt naiv.
    »Wie ist der Sherry?« Tinas Großmutter lächelte auf eine wohlkalkulierte Art, nicht zu viel und nicht zu wenig, eine Balance, die lange Übung auf dem gesellschaftlichen Parkett verriet. »Ich hoffe, er schmeckt Ihnen.« Sie hob ihr Glas. »Ich möchte gern einen Toast ausbringen«, sie wandte ihren Blick zu Tina, »auf meine wiedergefundene Enkelin, auf die ich so lange habe verzichten müssen.« Sie wartete, bis alle ebenfalls ihr Glas erhoben hatten, und nippte dann an ihrem Sherry. »Vierzig Jahre alt«, erklärte sie. »Mein Mann – mein verstorbener Mann«, korrigierte sie sich, »hat sogar eine Sorte im Keller gelagert, die über hundert Jahre alt ist – genauso alt wie dieses Haus. Sein Großvater hat Wein verschiedener Sorten aus dem Baujahr des Hauses zum Grundstock des später weithin berühmten Weinkellers gemacht.«
    Sie will uns beeindrucken, dachte Mar. Oder vielleicht auch nur mich. Damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe.
    »Ich –« Tina schluckte und räusperte sich dann. »Es tut mir leid, daß ich ihn nicht mehr kennengelernt habe. Bis vor kurzem wußte ich ja gar nicht –«
    »Selbstverständlich.« Tinas Großmutter unterbrach wie es schien ungeduldig. »Du kannst ja nichts für die Unüberlegtheiten deiner Mutter.« Sie musterte Tina. »Meine Tochter war schon immer ein wildes Kind. Mir scheint, das hast du nicht von ihr geerbt. Du bist so ruhig.«
    »Ja, ich –« Tina schluckte erneut. »In der Beziehung sind wir uns nicht sehr ähnlich, das stimmt.«
    »Das freut mich.« Nun lächelte Tinas Großmutter ganz natürlich. Tinas Aussage schien ihr zu gefallen. »Sie hat sich nur geschadet damit. Was hätte sie alles haben können . . .« Sie hob die Augenbrauen. »Und dich so aufwachsen zu lassen – sträflich ist das. Eine Schande für unsere Familie.« Ihre Mundwinkel hoben sich noch mehr. »Aber nun bist du ja da, und wir können das alles nachholen. Noch ist es nicht zu spät.«
    Mar hatte das Gefühl, einer einstudierten Vorstellung beizuwohnen. Tina sollte eingewickelt werden. Fragte sich nur, zu welchem Zweck. »Wenn ich das richtig verstanden habe«, bemerkte sie ohne jede besondere Betonung, »war Tinas Großvater nicht der Meinung.«
    Der Blick von Tinas Großmutter, der sich ganz auf Tina konzentriert hatte, kehrte nach einer kleinen irritierten Verzögerung zu Mar zurück. »Mein Mann war . . .«, sie

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