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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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in Betracht zu ziehen.«
    »Neue Möglichkeiten . . .« Tina fühlte sich erneut angezogen von der silbrig schimmernden Wasseroberfläche und dachte an die Tiefe, die darunter lag. Es war verlockend. »Du siehst immer neue Möglichkeiten, nicht wahr?«
    Mar betrachtete Tinas abgewandtes Gesicht. »Du hast in der Hinsicht doch viel mehr geleistet als ich. Du hast dir ein völlig neues Leben aufgebaut.«
    »Ja, ich war unglaublich erfolgreich damit.« Tinas Stimme klang sarkastisch.
    Mar schaute sie mitfühlend an. »Laß dir die Kündigung doch nicht alles verderben.«
    »Die Kündigung?« Tina schien nicht zu verstehen, worauf Mar sich bezog. »Ach ja, die Kündigung«, fügte sie dann schnell hinzu. »Natürlich.«
    Sie hat an etwas ganz anderes gedacht. Mar fragte sich, was das wohl sein mochte. Tina hatte behauptet, sie hätte keine Bindungen in Bonn, aber es war durchaus möglich, daß sie dadurch nur weiteren Nachfragen hatte ausweichen wollen. Immer mehr bildete sich in Mar der Verdacht, daß da irgend jemand war. Jemand, von dem Tina ihr nichts erzählt hatte und auch nichts erzählen wollte.
    Vielleicht hatte Gerlinde recht, und sie ist doch in irgendeiner Form gebunden, dachte sie. An jemand, der ihr aber anscheinend keine große Hilfe ist.
    »Tina, ich . . .« Mar räusperte sich. »Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber wenn du . . . wenn du über irgend etwas reden möchtest, ich bin immer für dich da.« Sie hob eine Hand wie zum Schwur und lächelte ermutigend. »Und es fällt alles unter die anwaltliche Schweigepflicht.«
    Tinas Mundwinkel zuckten, als führten sie einen aussichtslosen Kampf gegen den Weg nach unten. Den sie verloren. »Danke«, erwiderte sie kühl, »aber das ist nicht nötig.«
    »Wie du willst.« Mar hob die Hände. »Ich bin nichts weiter als deine Rechtsberaterin.«

21
    » D aggi . . .« Der Mann in der Tür schien erstaunt.
    »Tina«, sagte Tina. »Ich sehe meiner Mutter nur ähnlich.«
    »Das kann man wohl sagen. Meine Güte.« Langsam faßte er sich wieder. »Komm rein. Mutter wartet schon auf dich.«
    »Wir haben telefoniert.« Mar betrat hinter Tina das Haus. »Ich bin Tinas Anwältin.«
    »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.« Seine Mundwinkel preßten sich eng zusammen. »Ich will meine Nichte nicht betrügen. Und meine Mutter ihre Enkelin auch nicht.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Mar lächelte, wie sie es immer tat, wenn sie vor Gericht den gegnerischen Anwalt in Sicherheit wiegen wollte. »Ich bin nur dazu da, die Formalia zu regeln. In beiderseitigem Interesse. Das ist Ihnen doch recht?« Sie hob harmlos fragend die Augenbrauen.
    »Wenn Sie schon mal da sind . . .« Er ließ Mar eintreten und schloß die Tür hinter ihr. »Eigentlich hatten meine Mutter und ich eher an ein Familientreffen gedacht. Fremde geht das nichts an.«
    Mar ließ ihren Blick von dem Mann zu Tina schweifen. »Möchtest du lieber, daß ich wieder gehe?« fragte sie treuherzig, als wäre es tatsächlich nur eine Formalie. »Ich möchte das Familientreffen auf keinen Fall stören.«
    »Jürgen?« Eine Frauenstimme aus dem hinteren Teil des Hauses rief fragend. Es war nur undeutlich zu verstehen. »Ist das Tina?«
    »Ja, Mutter.« Tinas Onkel Jürgen drehte sich leicht nach hinten. »Wir kommen schon.« Er warf einen Blick auf Mar und Tina, wandte sich dann um und ging los.
    Tina blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte all ihre Kraft für die erste Begegnung aufgebraucht, für den Anblick dieses gewaltigen, ehrfurchtgebietenden Hauses, das viel zu groß für eine einzelne Familie erschien. Fast wie ein Schloß stand es auf dem Seegrundstück, das bis hinunter zum Wasser reichte. Eine Familienburg, in die sie nun eindrang und der sie sich nicht zugehörig fühlte.
    »Willst du lieber gehen?« fragte Mar leise. »Ich kann das auch allein regeln.«
    Tina schien langsam wieder zum Leben zu erwachen. »Ich täte nichts lieber als schreiend davonzulaufen«, bemerkte sie trocken. »Aber wer A sagt, muß auch B sagen.« Sie ließ ihre Augen kurz durch die Diele streifen, die alten Möbel, die offenbar wertvollen Spiegel, kleine Kostbarkeiten überall auf Tischchen und Schränken. Es war eher eine Halle als eine Diele. »Ich gehöre hier nicht her«, fügte sie beinahe schaudernd hinzu. »Also laß es uns schnell hinter uns bringen.«
    Mar nickte und ließ Tina den Vortritt, die ihrem Onkel folgte, der durch große Flügeltüren nach rechts verschwunden war. Am Eingang zögerte

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