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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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musterte Mars Gesicht auf ganz andere Art als Tinas, »kein besonders rücksichtsvoller Mensch. Seine Prinzipien waren möglicherweise . . . etwas veraltet. Er war in erster Linie Geschäftsmann. Ein guter. Aber zwischenmenschliche Beziehungen waren nicht unbedingt sein Spezialgebiet.« Sie verzog die Mundwinkel. »Meine Tochter ist ihm nicht ganz unähnlich. Deshalb haben sie sich immer so heftig gestritten.«
    Sie ist äußerst flexibel, dachte Mar. Sie bietet Tinas Mutter als Sündenbock an, die nicht da ist und sich somit nicht verteidigen kann, und ebenso ihren Mann, der sich nicht mehr wehren kann, weil er tot ist. Diese Frau war nicht ungefährlich, das spürte Mar mehr und mehr. Und schließlich erhob sich auch die Frage, warum Dagmar Bauers Mutter ihre eigene Tochter nicht unterstützt hatte, wenn sie doch anscheinend der Meinung war, ihr Ehemann hätte falschen Prinzipien angehangen.
    »Ich bin froh, daß du offenbar nicht zu solchen unsinnigen Streitigkeiten neigst«, bemerkte Tinas Großmutter und wandte sich erneut an Tina, in einer dezidiert liebenswürdigen Art, die jeden Widerspruch ausschloß.
    »Nein. Nein, tue ich nicht.« Tina warf einen schnellen Blick auf Mar in dem Sessel neben sich. »Ich bin eigentlich nur hergekommen, um . . .«, sie schluckte, »um euch kennenzulernen.«
    »Das freut mich zu hören«, erwiderte Tinas Großmutter leicht lächelnd, »denn das war auch meine Absicht: dich kennenzulernen, meine einzige Enkelin. Mein Sohn hat es ja nicht zustandegebracht, mir Enkel zu schenken.« Sie musterte Tinas Onkel scharf, und es schien fast, als ob er zusammenzuckte.
    »So alt bin ich noch nicht«, protestierte er.
    »Du gehst auf die fünfzig zu, mein Lieber«, hielt seine Mutter ihm erbarmungslos entgegen. »Du müßtest eine Frau finden, die viel jünger ist als du, damit sie noch im gebärfähigen Alter ist. Wir Frauen haben da nicht so lange Zeit wie ihr Männer. Du hättest dich eher darum kümmern sollen.« Wieder schossen ihre Augen Blitze. »Jetzt, wo Tina da ist, ist es zu spät.«
    Was hat das mit Tina zu tun? dachte Mar.
    Tina blickte ebenfalls etwas überrascht. Nach einer kurzen Zeit der Überlegung räusperte sie sich. »Dann . . . Dann sind wir also die ganze Familie?« fragte sie unsicher.
    »Von deiner Mutter einmal abgesehen, ja«, bestätigte ihr Onkel. »Es sei denn, sie hat noch mehr B- . . . Kinder in die Welt gesetzt.« Er hob fragend die Augenbrauen.
    Mar fragte sich, was er ursprünglich hatte sagen wollen. Bälger? Bastarde? Er schien seinem Vater wirklich sehr zu ähneln, wie Tinas Mutter behauptet hatte.
    »Nicht daß ich wüßte.« Tina schüttelte leicht den Kopf. »Ich war immer ein Einzelkind.«
    »Gut.« Tinas Großmutter schien erleichtert, und wieder fragte Mar sich, was für eine Bedeutung das wohl haben konnte. Immerhin hatte sie von ihrem Sohn offensichtlich Enkelkinder erwartet, die er nicht wunschgemäß geliefert hatte.
    »Dann wäre es wohl am besten –«, setzte Tinas Onkel an, wurde aber sofort von seiner Mutter unterbrochen.
    »Dein Onkel und ich haben uns überlegt«, fuhr sie fort, »gerade, weil unsere Familie so klein ist, daß du doch auch hier wohnen könntest.« Sie lächelte Tina ermutigend an. »Was hältst du davon?«
    Tina war offensichtlich von der Vorstellung so erschlagen, daß sie nicht sofort in der Lage war zu antworten.
    »Sie meinen, Sie wollen Tina hier bei sich in Ihrem Haus aufnehmen?« fragte deshalb Mar an ihrer Stelle.
    »Es ist ja jetzt auch ihr Haus.« Tinas Onkel musterte Mar mit einem undefinierbaren Blick. »Das Haus ihrer Familie. War es immer. Wenn meine Schwester nicht weggelaufen wäre –«
    »Was vorbei ist, ist vorbei«, unterbrach seine Mutter ihn abrupt. »Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen. Tina kann ja nichts dafür.« Sie lächelte ihre Enkelin an. »Was sagst du, mein Kind? So könnten wir uns doch viel besser kennenlernen.«
    »Ich –« Tina warf erneut einen Blick zu Mar.
    »Oh, ich vergaß . . . junge Frauen haben heutzutage ja einen Beruf.« Tinas Großmutter verzog die Mundwinkel zu einem Ausdruck, von dem man nicht genau sagen konnte, ob er anerkennend oder eher abschätzig war. »Du hast sicher auch einen. Mußt du da noch irgend etwas regeln?«
    »Im Moment . . . nicht«, antwortete Tina unbehaglich.
    »Dann ist ja alles in Ordnung.« Tinas Großmutter legte zufrieden die Hände ineinander. »Du bleibst hier.« Damit war die Diskussion für sie anscheinend

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