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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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meinst.« Tina schien den Strohhalm zu ergreifen, den Mar ihr anbot. »Dann wäre es wohl doch am praktischsten, ich kehre mit dir in den Gasthof zurück. Dann kann ich auch gleich meine Sachen holen.«
    Mar nickte. »Das halte ich auch für das beste.«
    »Ich fahre euch nach. Dann kann ich Tina wieder mit zurück nach Hause nehmen«, schlug Tinas Onkel nach einem stummen Blickwechsel mit seiner Mutter vor. »Ein Taxi wäre ja Verschwendung.«
    »Ich kann zu Fuß gehen«, sagte Tina.
    »Zu Fuß? Von der Stadt bis hier hinaus sind es fast fünf Kilometer.« Tinas Großmutter schüttelte den Kopf.
    »Ich kann sie ja bringen.« Mar machte einen Schritt zur Tür. »Oder, Tina?«
    Tina folgte Mar zögernd. »Ich würde wirklich lieber zu Fuß zurückgehen«, sagte sie. »Ein Spaziergang täte mir gut.«
    »Wenn du unbedingt willst. Deine Mutter war nie so sportlich.« Tinas Onkel Jürgen verzog abschätzig das Gesicht.
    »Wie gut, daß Tina nicht so ist wie deine Schwester«, ergänzte Tinas Großmutter schnell. Sie lächelte Tina an. »Ich kann dich gut verstehen, Kind. Du mußt über einiges nachdenken. So viel Neues erschlägt einen manchmal. Ich alte Frau vergesse oft einfach, wie stark ihr jungen Leute seid. Fünf Kilometer machen dir wahrscheinlich überhaupt nichts aus. Für mich wäre es eine große Anstrengung.« Sie kam auf Tina zu und nahm Tinas Hand in ihre beiden eigenen. »Ich freue mich, wenn wir heute abend dann alle hier zusammen sind.«
    Tina schluckte. »Ich freue mich auch«, erwiderte sie mühsam, als müßte sie aufsteigende Tränen unterdrücken.
    Schnell verließ sie hinter Mar das Haus.

22
    » D u willst also wirklich hierbleiben?« Mar wirkte zweifelnd.
    »Es ist meine Familie.« Tina schaute sie kurz an und ging dann stumm weiter neben ihr am Ufer des Starnberger Sees entlang.
    »Verzeih, wenn ich das sage, aber auch, wenn ihr blutsverwandt seid, heißt das noch lange nicht, daß deine Familie dir wohlgesonnen ist.« Mar hob skeptisch die Augenbrauen.
    »Wie viele Verwandte hast du?« fragte Tina.
    »Oh – ich weiß nicht.« Mar überlegte. »Eine ganze Menge.«
    »Ich hatte bisher nur meine Mutter – und nun habe ich noch eine Großmutter und einen Onkel. Das ist alles.« Tinas Stimme klang leise.
    »Entschuldige. Daran habe ich nicht gedacht.« Mar warf einen Blick auf Tina neben sich und wünschte sich, sie könnte hierbleiben, um in ihrer Nähe zu sein, falls sie sie brauchte. »Selbstverständlich kann ich nicht nachvollziehen, was für eine Bedeutung das für dich hat.«
    »Nein, kannst du nicht.« Tina schüttelte leicht den Kopf. »Niemand kann das, der in einer normalen Familie aufgewachsen ist.«
    »Und dabei betrachtet doch jeder die eigene Familie als alles andere als normal.« Mar lachte.
    »Mag sein.« Tina machte eine lange Pause. »Ich habe die Leute immer darum beneidet.«
    »Ich könnte versuchen, meine Termine zu verschieben. Wenn dir das hilft.« Mar betrachtete Tina erneut mit einem etwas besorgten Blick. »Vielleicht kann ich dann noch ein paar Tage hierbleiben.«
    »Nicht nötig.« Tina schüttelte diesmal entschiedener den Kopf. »Ich schaffe das schon allein. Ich muß mich nur erst einmal an den Gedanken gewöhnen.«
    »Willst du denn gar nicht wissen, was im Testament steht?« Mar hob die Augenbrauen.
    »Das ist doch überhaupt nicht wichtig«, entgegnete Tina uninteressiert.
    »Na ja, so unwichtig finde ich das nicht.« Mar spitzte angelegentlich die Lippen. »Vor allem, nachdem ich die Reaktionen deiner lieben Verwandten gesehen habe.«
    »Welche Reaktionen?« Tina schien nicht zu wissen, worauf Mar anspielte.
    »Na hör mal, hast du das nicht auch komisch gefunden?« Mar runzelte die Stirn.
    »Was?«
    Mar blickte sie erstaunt an. »Du hast tatsächlich nichts davon mitbekommen?«
    »Ich war . . . mit anderen Dingen beschäftigt.« Tina wandte den Kopf zu Mar.
    »Augenscheinlich.« Mar fühlte sich immer unbehaglicher bei dem Gedanken Tina alleinzulassen. »Ich weiß nicht, was es ist, aber mein Bauchgefühl sagt mir, da stimmt etwas nicht.«
    »Es ist für uns alle eine neue Situation.«
    »Sicher.« Mar nickte. »Einiges davon ist der Unsicherheit zuzuschreiben, die ihr alle empfindet. Aber trotzdem –«
    »Könnte das eine Berufskrankheit bei dir sein?« Tina blickte sie mit leicht spöttisch erhobenen Augenbrauen an. »In allem etwas Kriminelles zu wittern?«
    »Kriminelles? Ich habe in den seltensten Fällen mit Strafsachen zu tun.« Mar schüttelte

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