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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Dann erst sprach er ihn ohne Grußformel an. »Hast du etwas mitbekommen?« Warum begrüßen? Heinzmann und Baumer waren die besten Freunde. Ein Tamtam konnten sie sich sparen. Es gab Wichtigeres zu tun.
    Baumer schüttelte den Kopf. »Ich bin erst jetzt gekommen. Ich war in meiner Wohnung.«
    »Mist.«
    Baumer erwiderte nichts.
    »Das Mädchen wurde ermordet.«
    Der Kommissar riss die Augen auf, sein Kinn fiel herunter. Er blickte Heinzmann in die Augen, suchte nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass er falsch verstanden hatte.
    Der Wachtmeister hielt Baumers eindringlichen Blick kaum aus. Er hatte deutlich Mühe weiterzusprechen, musste sich zuerst fassen. »Offenbar Messerstiche in die Brust«, konnte er endlich sagen.
    »Ermordet?«, fragte Baumer ungläubig und hatte doch schon begriffen. Was er als wildes Motiv auf dem T-Shirt zu erkennen geglaubt hatte, war kein gedrucktes Bild. Es war Blut. Wogen von echtem Blut.
    Der altgediente Wachtmeister, der schon so viel wortloses Leid und Unglück gesehen hatte, trat näher an seinen Freund. Er hielt ihn mit der einen Hand am Oberarm fest. Fast schien es, als müsse er sich selbst an jemandem festhalten, um nicht einzuknicken. Hatte er zuvor schon geflüstert, so wurde seine Stimme nun noch leiser, als er wiederholte, was kaum auszusprechen, noch weniger zu fassen war: »Ein Stich ging offenbar mitten ins Herz.«
    Baumer löste sich von Heinzmann, dem die Sache sehr naheging. Fast schien es, als kämpfe er mit den Tränen. Das schockierte ihn noch mehr. Er hatte Stefan Heinzmann kaum je so mitgenommen gesehen.
    Der hatte sich aber sogleich wieder im Griff. Er wischte sich eine Träne weg, die ihm doch gekommen war. Er schniefte kurz, war wieder Polizist. »Das Mädchen war sofort tot«, murmelte er. »Wenigstens das.« Ein hilfloser Versuch, irgendwo noch etwas Gutes zu finden, damit man überhaupt weitermachen konnte in diesem Beruf.
    Baumer glaubte nicht an irgendetwas Positives in einem sinnlosen Mord. Auch wenn ihm die Schritte schwerfielen, überwand er sich, näher an die Tote heranzutreten. Er betrachtete das kleine Geschöpf in seiner Goldfolie. Es erinnerte an eine Ikone der orthodoxen Christen. Ein fahles Gesicht, die Muskeln darin erschlafft, so dass das schmale Antlitz breiter wirkte. Mimik war keine mehr erkennbar. Der Kopf lag starr und schwer wie eine Totenmaske aus Marmor, umflackert von einem goldenen Leuchten.
    »Schaust du zu mir?«, wollte das Mädchen von Andreas Baumer wissen. Der verstand nicht sogleich. »Bitte, schaust du zu mir, Andi? Meine Mutter muss doch einmal verstehen können.«
    »Was … soll ich tun?«, wollte Andi von dem Mädchen wissen.
    Da schlug der ältere Sanitäter die Goldfolie schon über das Gesicht der Ermordeten und beendete das Selbstgespräch.
    Der zweite Sanitäter kam mit der Rollbahre, senkte sie herunter. Zusammen betteten sie das Mädchen darauf. Sie taten es würdevoll und behutsam, als müssten sie achtgeben, dem Mädchen nicht wehzutun.
    Baumer drehte sich rasch um, wollte nicht sehen, wie die Mutter jetzt aus ihrer Starre erwachen, wie sie sich um ihr Kind kümmern würde, den Sanitätern zur Hand ginge. Er wollte nicht miterleben müssen, wie sie ihr Kind fürsorglich zudecken würde, damit es bequem und warm läge auf seiner kurzen langen Reise.
    Er sah den Wachtmeister mit gesenktem Kopf dastehen, während er in sein Funkgerät sprach. Der Gefreite Meier stand daneben, blickte aufmerksam zu seinem Vorgesetzten hoch.
    Der Meier hat es einfach, dachte Baumer. Hat einen Chef, an den er sich hängen kann, wenn es schwierig ist. Und ich? Er trat zu Heinzmann, denn der Kommissar fühlte sich ebenso unsicher wie Meier, was jetzt zu tun sei. Sein Freund sprach mit der Leitstelle.
    »Die Namen der Passanten, die das Mädchen gefunden haben, haben wir bereits notiert. Wir bleiben, bis die Spurensicherung da ist. Danach beteiligen wir uns an der Suche nach dem Täter. Ende.« Er drehte sich zu Baumer, wandte sich an ihn und Meier zugleich. »Rötheli und seine Zivilen sind alarmiert. Sie klappern das Bahnhofsgebiet ab. Alle verfügbaren mobilen Patrouillen kontrollieren die Straßen in der Nähe.«
    Dass sie mehr Polizisten bräuchten für diese Stadt, mehr Beamte auf der Straße, erwähnte er schon gar nicht mehr. Wenn ein Verbrechen geschieht, gibt es immer zu wenig Polizisten. Er nahm seine Mütze ab, fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Zu Meier blickend, sagte er: »Wir werden Richtung

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