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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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sich keinen Deut um irgendeine Tempobeschränkung in der Hochstraße, wo Baumer wohnte. Erst kürzlich hatte einer in der Parallelstraße mit Tempo 100 einen anderen, unschuldigen PKW-Fahrer zu Tode gecrasht. Wenn wieder so ein Mörder hier hindurchgeprescht war und das Kind bei dem Tempo erfasst hatte, dann …
    Andi Baumer mochte nicht weiterdenken, versuchte verzweifelt, sich der Bilder eines solchen Unfalls zu erwehren, und sah sie doch unweigerlich vor sich. Ein kaum beschädigtes Auto halb auf dem Bürgersteig und eine zerstörte Gliederpuppe auf dem Asphalt, die Arme und Beine verrenkt und mit Gelenken, wo nie welche gedacht waren.
    Der Kommissar schauderte. Trotzdem, er musste jetzt einfach hinuntergehen, sehen, was wirklich geschehen war. Seine Kollegen würden froh sein um jede Hilfe. »Geh helfen!«, rief er laut. Diesmal nutzte es. Eiligst streifte er seine Turnhose ab, stellte sich in die Badewanne und riss den Duschvorhang zu. Er drehte das Wasser auf, erschrak, als er seine zitternden Hände an den Wasserknöpfen sah. Rasch steckte er den Kopf unter den Wasserschwall. Das Rauschen verbarg ihn vor diesem Nerven zerfressenden, unendlichen Wehklagen der Mutter.
    Nur zwei Sekunden blieb er so stehen. Er seifte sich rasant ein, wusch sich in Rekordzeit. Er beeilte sich, fertigzuwerden, denn die Gedanken an den Unfall wurde er nicht los. Er wollte sich endlich diesem furchtbaren Geschehen stellen. Er drehte das Wasser ab, trocknete sich knapp, seine Stoppelhaare rubbelte er nicht einmal trocken. Er schmiss sich trotz der Gluthitze des Sommers in eine Jeans von Lee . Darauf konnte er nicht verzichten. Ein Kommissar in kurzen Hosen war kein Kommissar. Stolpernd schlüpfte er in leichte Sommerschuhe und noch während er eines seiner geliebten Versace-Baumwollhemden überstreifte, rauschte er bereits die Treppe hinunter.
    Noch nicht unten angekommen, überfielen ihn erneut schlimme Zweifel. Vor dem Haus wartete die erschütterte Mutter eines toten Mädchens auf ihn. Sollte er diesem armen, gebrochenen Menschen nicht ausweichen, wenn es irgend ging? Vor allem war da ein totes Mädchen. Musste er sich dies antun? Sollte er sich den Anblick von Mina nicht lieber ersparen?
    »Hast du Angst vor mir?«, hörte er plötzlich die Stimme des Mädchens und Andi sah sie in Gedanken vor sich. Hübsch war sie, mit einem zierlichen Lächeln auf den Lippen, die Haut makellos und die Bäckchen rosarot, wie die eines edlen Porzellanpüppchens. Einzig, je ein Blutfaden lief dem Teenager aus Nase und Mund.
    Baumer erschrak über sich selbst und versuchte sogleich, sich zu verteidigen: »Ich bin doch auch nur ein Mensch.«
    »Du bist Kommissar. Du musst mir helfen.«
    »Ja«, sagte Baumer. »Ja.«
    Er atmete tief ein und hielt die Luft für einen Moment an. Dann blies er seinen Atem so langsam aus, wie es nur ging, und war endlich, endlich Kommissar.

    *
    Baumer öffnete die schwere, eisenbeschlagene Haustür und trat zügig hinaus auf den Bürgersteig. Es war ihm, als wäre er ein Stier, der aus dunklem Raum in die gleißende Arena kommt. Die blanke Sonne und ein wirres Durcheinander an Stimmen, Wehklagen, Bemerkungen, Erklärungen schlug ihm entgegen.
    Ein Krankenwagen – er musste gekommen sein, als Baumer unter der Dusche war – stand mitten auf der Straße. Ein Dutzend Meter weiter war der Mercedes einer Polizeipatrouille abgestellt. Die Straße war mit allerlei Menschen gefüllt. Nur mühsam gelang es zwei Polizisten, die Gaffer zurückzudrängen und den Platz freizuhalten, damit die Sanitäter ihren Job tun konnten. Einzig, es fehlte ein kaputtes Auto.
    Doch kein Unfall, fragte sich Baumer. Was kann es dann gewesen sein?
    Er erkannte als Erstes den Gefreiten Meier. Der junge, gedrungene Polizist mit rundem Gesicht schob mit weit ausgebreiteten Händen ein paar Leute von der Szene weg auf den Bürgersteig. Dann strich er überdeutlich mit seinem Zeigefinger an den Füßen der Gaffer entlang und zeigte an, dass die Bordsteinkante nun absolute Grenze für sie sei, sonst gäbe es eine Buße. Weiter vorne sah Baumer seinen besten Freund, den Wachtmeister Heinzmann. Er erkannte ihn sogleich an seiner hohen und stämmigen Statur und dem alten Deckel, den er immer trug, selbst jetzt im Hochsommer. Der machte den erfahrenen Führer der Nachtpatrouille noch größer als die 1 Meter 85, die er eh schon war. Die Gaffer auf Heinzmanns Seite waren bereits zurückgewichen. Er sperrte seine Seite mit rot-weiß gestreiftem Sperrband ab,

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