In der Kälte der Nacht
liebt das Meer?«
»Nein.«
»Aber er liebt Gemälde, auf denen das Meer dargestellt ist.«
»Das Meer ist ihm gleichgültig.« Salsbury war verunsichert. »Warum, zum Teufel, gibt es dann diese Gemälde in deiner Wohnung?«
»Ich stamme aus Cape Cod«, sagte die junge Frau. »Ich liebe das Meer.«
»Aber er liebt es nicht! Warum läßt er dich dann diese Gemälde aufhängen?«
»Weil er weiß, daß ich diese Gemälde gern habe.« Der Schweiß lief ihm über die Brauen. Er wischte sich trocken und steckte das Tuch in die Tasche zurück. »Wenn dein Mann die Bilder von der Wand nimmt, würdest du nicht mehr mit ihm schlafen,
stimmt's?«
»Ich würde trotzdem mit ihm schlafen.«
»Das würdest du eben nicht tun, du kleine Hure. Du bist hübsch, und das weißt du. Er würde alles tun, um dich bei Laune zu halten. Jeder Mann tanzt nach deiner Pfeife. Seit du alt genug bist zum Vögeln, tanzen sie alle nach deiner Pfeife. Nun?« Sie war ratlos. »Nein, niemand tanzt nach meiner Pfeife.« Er konterte mit einem bitteren Lachen. »Du kannst mich mit deinen Wortspielereien nicht an der Nase herumführen. Du weißt genau, was ich meine. Du bist genauso schlecht wie die anderen Frauen. Du bist eine kleine Hure, Brenda.« Sie kniff die Augen zusammen. Sie schien nachzudenken. »Ich sagte, du bist eine Hure. Habe ich recht?« Die Falte auf ihrer Stirn glättete sich. »Ja.«
»Ich habe immer recht, oder?«
»Sie haben immer recht.«
»Was bin ich?«
»Sie sind der Schlüssel!«
»Und was bist du?«
»Ich bin das Schloß.« Die Nervosität war weg. Salsbury war ruhig. Ruhig wie noch nie in seinem Leben. Er schob sich die Brille hoch. »Du möchtest, daß ich dir die Kleider vom Leibe reiße. Du möchtest, daß ich dir's besorge. Würde dir das Spaß machen, Brenda?« Sie zögerte. »Es würde dir Spaß machen, Brenda.«
»Es würde mir Spaß machen.«
»Du bist scharf drauf, Brenda.«
»Ich bin scharf drauf.«
»Zieh das Oberteil aus.« Sie tastete nach dem Verschluß auf ihrem Rücken und zog sich das Oberteil ihres Kleides aus. Sie ließ es zu Boden gleiten. Die Haut, die zum Vorschein kam, war weiß, ein erregender Kontrast zu ihren
gebräunten Schultern. Die Brüste waren fest und voll, die Spitzen waren nach oben gerichtet. Sie stieß das Kleidungsstück mit der Schuhspitze zur Seite, stand vor ihm und wand sich in den Hüften, ein herrlicher Anblick. Der Kopf war zurückgeworfen, das blonde Haar hing hinab wie ein Banner. Sie keuchte. Die Macht. Ich habe Macht über sie. Ich werde immer Macht über sie haben. Er konnte in ihr Haus gehen, wann immer es ihm beliebte, in ihr Schlafzimmer. Nicht nur in das Haus dieser Frau. In alle Häuser. Er konnte mit den Menschen machen, was er wollte. Nicht nur mit den Frauen, auch mit den Männern dieser Frauen. Wenn er es wollte, würden die Männer ihn darum bitten, daß er mit ihren Frauen schlief. Sie würden auf Knien vor ihm liegen und ihm ihre Frauen anbieten, ihre Töchter. Nichts würde ihm versagt bleiben, so extravagant seine Wünsche auch ausfielen. Er würde alles verlangen. Er würde es genießen, wie man ihm alles als Opfer darbrachte. Im großen und ganzen würde er ein gütiger Diktator sein, kein Scherge. Er würde den Menschen nicht mit dem Stiefel ins Gesicht treten. Der Tritt mit dem Stiefel. Er mußte lachen, ein Gedicht war ihm eingefallen. Wie kam er auf dieses Gedicht? Richtig, vor zehn Jahren war das gewesen. Damals war Salsbury umhergefahren, hatte Vorträge vor Experten und jungen Leuten gehalten. In endlosen Diskussionen hatten ihm die Kritiker mit ihren Einwendungen zugesetzt. Die Zukunft der Menschheit stehe auf dem Spiel, die Intimsphäre des Individuums sei bedroht, und was der intellektuellen Gemeinplätze mehr waren. Einer seiner Kritiker hatte den Tritt mit dem Stiefel zitiert. Die Menschen neu zu programmieren, ihr Verhaltensmuster zu ändern, das war wie ein Tritt ins Gesicht. Salsbury hatte das zurückgewiesen. Diktatoren in früheren Kulturen hatten dergleichen Methoden angewendet, um die Massen unter Kontrolle zu behalten. Jetzt, wo es die Droge und das Schlüssel-Schloß-Programm gab, waren Stiefeltritte überflüssig. Gewiß, er würde den Menschen zusetzen, besonders
den Frauen. Aber dazu brauchte man schließlich nicht den Fuß. Salsbury jubelte. Er triumphierte. Er lachte. Die Macht. Süße, schrankenlose Macht. »Brenda!« Sie sah zu ihm auf. Ihr langes Haar klebte an der Stirn. »Knie dich aufs Sofa«, sagte er. Sie tat
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