In der Kälte der Nacht
»Mein Mann ist nicht zu Hause. Er arbeitet in der Tagschicht beim Sägewerk. Er kommt erst gegen halb sechs heim.« Er glättete die Fragebögen auf seiner Alutafel. »Das macht nichts, ich kann mich mit Ihrem Mann ein andermal unterhalten. Kann ich auch die Kinder sprechen? Die Kinder sind für die Untersuchung besonders wichtig, ich dachte...«
»Wir sind erst ein Jahr verheiratet«, unterbrach sie ihn. »Wir haben noch keine Kinder.«
»Sie sind sozusagen noch in den Flitterwochen.«
»Sozusagen.« Sie schmunzelte. Sie hatte Grübchen. Salsbury fühlte sich von einem Mahlstrom ergriffen, der ihn in einen dunklen Schlund hinabziehen würde, und der Schlund hieß Frau. Ein wehmütig-süßes Gefühl. »Gibt es keine Verwandten, die in Ihrem Haushalt wohnen? Untermieter?«
»Nein, nur Richie und ich.«
»Richie ist Ihr Mann.«
»Ganz recht.« Er war ein großes Risiko eingegangen, als er das Codewort an die Serviererin verriet. Eigentlich hatte er's nur getan, weil sie Miriam glich. Die Sache war noch einmal gut ausgegangen. Aber Salsbury war entschlossen, diesmal umsichtiger vorzugehen. Während der Interviews, die er am Samstag und am Sonntag durchführte, hatte er Tuchfühlung mit den Frauen vermieden. Nicht einmal die besonders Hübschen hatte er berührt. Er tat das, um sich für seine Tollkühnheit im Ultman's Cafe zu bestrafen. Dabei wäre ihm jede der interviewten Frauen zu Willen gewesen. Alice, die kleine Nutte von Serviererin, hatte totale Unterwürfigkeit an den Tag gelegt. Und Salsbury dachte darüber nach, wie es sein würde, wenn eine Frau ihres Alters vor ihm auf den Knien lag. Er schielte über seine Alutafel hinweg. Er würde ihr Anweisung geben, sich auszuziehen. Sie sollte sich nackt vor ihm zeigen. Splitternackt. Gefahr? Es gab keine Gefahr, redete er sich ein. Sein Entschluß stand fest. »Ich bin der Schlüssel.«
»Ich bin das Schloß.« Er war erleichtert. Er kratzte sich die Augenbraue. »Bist du allein im Haus?«
»Ja.« Ein Schauder der Lust kroch über seinen Rücken. »Erwartest du Besuch?«
»Nein. Niemanden.«
»Wirst du irgendwo erwartet? Hast du dich irgendwo zu einem Besuch angemeldet oder zu einer Erledigung?«
»Nein.«
»Laß mich ins Haus.« Sie öffnete die mit einem feinen Gitter bespannte Tür und ließ ihn eintreten. Das Wohnzimmer war luftgekühlt. Es gab einen ovalen Spiegel. An der Wand hingen Bilder, auf denen Schiffe zu erkennen waren. »Schließ die Haustür zu«, sagte er. »Schieb den Riegel vor.« Sie gehorchte. Es gab einen Flur, der zur Küche führte. Das Eßzimmer. Ein Orientteppich. Zwei Sofas. Ein Tischchen. Ein Ständer mit Zeitschriften. Und wieder Bilder mit Schiffen. »Zieh die Vorhänge zu«, sagte er. Sie ging von Fenster zu Fenster und zog die Vorhänge zu. Sie kam zu ihm zurück und stemmte die Arme in die Seite. Sie lächelte. Sie wartet auf meine Befehle, dachte er. Sie ist meine Sklavin. Mein Geschöpf. Meine Marionette. Er hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange sie schweigend voreinander standen. Salsbury war unentschlossen. In seinen Gedanken mischten sich Angst und Vorfreude. Seine Leistengegend spannte und zuckte. Ein Schmerz, der mit jeder Sekunde süßer und verlockender wurde. Wieder brach ihm der Schweiß aus, diesmal wischte er sich nicht ab. Sie war sein. Ihr Mund war sein, ihre Brüste, ihre Schenkel, ihre Haut, jeder Quadratzentimeter ihres Körpers war sein. Wichtig auch: er brauchte sich keine Sorgen zu machen, ob er ihr gefiel oder nicht. Er brauchte nur noch an seine Erfüllung zu denken, an die Steigerung des eigenen Genusses, an das Hinauszögern der
Begierde. Er würde ihr sagen, daß sie scharf drauf war, sie würde ihm antworten, jawohl, ich bin scharf drauf. Sie würde ihm keine Vorwürfe machen, weil er ihr Haar durcheinandergebracht hatte. Er würde mit ihr schlafen - und dann weg damit. Er würde sie gebrauchen. Sie so gebrauchen, wie er es sich in seinen Träumen ersehnt, aber noch nie verwirklicht hatte. Sie sah ihn fragend an. Herausfordernd, fand Salsbury. »Die Vorhänge sind zugezogen. War das alles?«
»Nein«, sagte er heiser. »Was muß ich tun?« Er ging zum Tischchen und knipste die Lampe an. »Bleib stehen, wo du bist, und beantworte meine Fragen.«
»Gut.«
»Wie heißt du?«
»Brenda.«
»Wie alt bist du, Brenda?«
»Sechsundzwanzig.« Er zog sein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Blick war auf die Gemälde mit den Segelschiffen gerichtet. »Dein Mann
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