In der Kälte der Nacht
10 Uhr 22 gerückt, als Paul von der Main Street in die Allee abbog, die zum Baseballplatz führte. Sobald der Wagen zwischen den Bäumen verschwunden war, verließ der Junge sein Versteck in der Kirche. Er ging die Backsteintreppe hinunter, stellte sich an den Straßenrand und streckte den Kopf vor. Er wartete auf den Wagen. Der Himmel hatte sich zugezogen, in weniger als einer Stunde. Graublaue Wolken türmten sich auf. Der Wind hatte aufgefrischt. Wenn der Wind aus dem Osten wehte, gab's Regen. Sagten die Einheimischen in Black River. Jeremy trat von einem Fuß auf den anderen. Bitte, lieber Gott, laß es nicht regnen. Wenigstens nicht heute. Ich werde beim Fahrradrennen mitmachen. Diesmal mache ich den Ersten. Letztes Mal bin ich Zweiter geworden. Inzwischen habe ich trainiert. Wirklich trainiert. Nein, ich habe meine Zeit nicht verplempert, wie das die anderen Kinder tun. Ich werde Erster -wenn's nicht regnet. Wieder ein Blick auf die Uhr. 10 Uhr 26. Sekunden später bog Pauls Wagen um die Ecke, und Jeremy setzte sich in Bewegung. Paul wollte gerade abbiegen, als Jenny ihn beim Arm faßte. »Warte doch, da kommt Jeremy.« Paul stieg auf die Bremse. »Wo?«
»Auf der anderen Straßenseite.«
»Aber er ist ohne Mark.« Paul drückte auf die Hupe. Er ließ sein Fenster niedersurren und winkte Jeremy zu. Jeremy schaute nach links, Jeremy schaute nach rechts, dann überquerte er die Straße. »Tag, Mr. Annendale. Tag, Jenny.«
Es war Paul, der die Fragen stellte. »Wo ist Mark? Deine Mutter hat mir gesagt, ihr seid zum Baseballspielen gegangen.«
»Wir haben auch Baseball gespielt, aber dann haben wir uns gelangweilt. Wir sind ins Gordon-Wäldchen gegangen.«
»Wo ist das?« Jenny kannte das Wäldchen. Es lag an dem Weg, der zum Holzfällercamp führte, ein paar Minuten außerhalb des Ortes. Jeremy deutete die Straße entlang. »Dort.«
»Was habt ihr denn im Gordon-Wäldchen zu suchen?« fragte Paul. »Wir haben dort ein Baumhaus, ich meine meine Freunde und ich. Ich wollt's Mark nur zeigen.« Er sah Pauls besorgte Miene. »Nicht, was Sie vielleicht meinen, Mr. Annendale. Keine Bruchbude, die von den Ästen fällt. Der Vater eines Freundes hat's gebaut. Wirklich sicher. Kann nichts passieren.«
»Er hat recht«, sagte Jenny. »Ich kenne das Baumhaus. Mein Vater hat mitgeholfen beim Bau.« Sie schmunzelte. »Obwohl ich für solche Spiele ja schön etwas zu alt bin.« Jeremy nickte. Er war ein Junge mit Sommersprossen. Paul betrachtete die Kratzer auf seinem Knie. Er mußte lächeln. Baumhäuser. Jeremy war nicht der verschlagene Teufel, der einen Mord deckte. Er war ein Junge wie die anderen. Paul war erleichtert. Vorhin, auf dem leeren Baseballplatz, war die eisigen Hand wieder dagewesen. Im Augenblick war sie nicht mehr zu spüren. »Ist Mark noch im Baumhaus?« fragte er. »Ja.«
»Und du? Warum bist du nicht bei ihm geblieben?«
»Weil ich das Monopolyspiel holen will. Wir wollen mit den anderen Jungen Monopoly spielen, im Baumhaus.«
»Jeremy...« Paul dachte nach, in welche Worte er seine wahnwitzige Frage kleiden konnte. »Ist in eurer Küche heute morgen etwas... Außergewöhnliches passiert?« Der Junge blinzelte. »Wir haben gefrühstückt.« Paul kam sich vor wie ein Mann, der ein kreuz und quer
zerschnittenes Schlauchb00t aufpumpte. »Viel Spaß beim Monopoly«, sagte er. »Lauf jetzt, deine Freunde warten sicher schon auf dich.« Jeremy verabschiedete sich von Paul und Jenny. Er verabschiedete sich auch vom Eichhörnchen im Käfig. Er sah nach rechts, er sah nach links, dann ging er zur anderen Straßenseite zurück. Paul sah ihm nach, bis er den Platz erreicht hatte, der den Mittelpunkt des Ortes bildete. »Was nun?« fragte Jenny. »Ich nehme an, Rya ist zu deinem Vater gelaufen, um sich bei ihm auszuweinen«, sagte Paul. »Vielleicht ist das auch ganz gut so. Wir bekommen vorläufig nichts Klares aus dem Mädchen heraus.«
»Und wenn sie nicht bei Sam ist?«
»Dann warten wir in aller Ruhe, bis sie auftaucht. Sie kann in Black River ja schließlich nicht verlorengehen. Früher oder später kommt sie wieder aus der Schmollecke hervor.« Sie saßen am Küchentisch. Jeremy erzählte, was Paul ihn gefragt und wie er diese Fragen beantwortet hatte. »Hat er's geschluckt?« fragte Salsbury. »Was geschluckt?«
»Daß Mark im Baumhaus ist.«
»Ist er denn nicht im Baumhaus?« Gut, dachte Salsbury. Gut, gut, gut. Ich habe erst einmal Zeit gewonnen. Jetzt muß ich die Zeit nutzen. Mir bleiben
Weitere Kostenlose Bücher