In der Kälte der Nacht
hat's getan. Ich hab' gesehen, o nein, wie fürchter lich ... ich hab' gesehen, wie er ihn mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hat. Das Blut... O Paps, warum glaubst du mir denn nicht? Es ist wahr!« Es konnte nicht wahr sein.
Und doch, es gab etwas, das machte Paul Angst. Seit Rya in den Laden gestolpert war, lag eine eisige Hand auf seiner Schulter. Das Kind stand vor ihm, vier oder fünf Schritte entfernt, und die Hand lag auf seiner Schulter. Die Hand war ihm in den Wagen gefolgt. Er spürte, wie sich die Finger um seinen Hals schlossen. Er bog in die Union Road ein. Das Haus des Polizeichefs lag noch einen halben Kilometer entfernt. Er kannte das Haus. Das letzte in der Reihe. Blick auf den Fluß. Er erinnerte sich, es gab eine Garage, und über der Garage eine Werkstatt. Dort! Ja, das mußte es sein. Er bog zum Straßenrand ab und parkte. »Wo ist der Käfig?« fragte er. »Als ich weglief, stand der Käfig unter dem Küchenfenster. Jemand muß ihn weggenommen haben.«
»Das Haus sieht recht ruhig aus. Nicht so, als ob hier gerade ein Mord passiert wäre.«
»Drinnen«, sagte Rya. Ihre Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Sie haben ihn im Haus umgebracht. In der Küche.« Jenny hatte Rya bei der Hand ergriffen. Sie zog das Mädchen an sich. »Rya...«
»Drinnen!«
»Gehen wir rein«, sagte Paul. Sie verließen den Wagen, überquerten den frischgemähten Rasen und umrundeten das Haus. Emma Thorp mußte sie kommen gehört haben. Sie stand in der offenen Küchentür. Sie trug ein langes, dunkelblaues Hauskleid mit einem hellblauen Gürtel um die schlanke Taille. Das lange Haar war sauber gekämmt und festgesteckt. Sie lächelte. Sie freute sich über den Besuch. »Tag«, sagte Paul verlegen. Es passierte ihm selten, daß ihm kein passender Satz einfiel, aber jetzt war es so. Wenn auch nur irgend etwas von dem stimmte, was Rya sagte, dann konnte Emma nicht so dastehen. Diese Frau war heiter und gelassen. Eine Frau, die
gleich die Waffeln aus dem Waffeleisen holen würde. Sirup ode r ohne? Paul schämte sich. Wie hatte er nur auf solch eine Geschichte hereinfallen können. Das Problem war, wie konnte er sich bei Emma wieder herausreden? »Wie geht's denn immer«, sagte Emma fröhlich. »Tag, Rya, Tag, Jenny. Wie geht's Mr. Edison?«
»Alles in Ordnung«, sagte Jenny, und Paul konnte hören, daß sie ebenso empfand wie er. »Tja, tut mir leid, aber ich bin nur fürs Haus angezogen. Das Frühstückgeschirr steht noch herum. Die Küche ist ein einziges Chaos. Aber wenn ihr nichts dagegen habt, im Dreck herumzuwaten, sind Sie herzlich willkommen.« Sie war zur Seite getreten und machte eine einladende Handbewegung. Paul zögerte. »Was ist?« fragte Emma. »Ist Bob nicht da?«
»Ist schon im Dienst«, sagte Emma. »Wann ist er denn weggefahren?«
»Wie immer, kurz vor neun.«
»Wo ist er jetzt? Auf dem Revier?«
»Auf dem Revier oder auf Streife. Warum?« Paul stand da und starrte auf den Boden. Ja, warum? Es hatte wohl keinen Zweck, eine Erklärung zu versuchen. »Ist Mark hier?« hörte er sich fragen. »Er war hier«, sagte Emma. »Er ist mit Jeremy zum Baseballplatz gegangen.«
»Wann war das?«
»Vor einer halben Stunde.« Er war sicher, daß Emma die Wahrheit sagte. Welchen Zweck hätte es gehabt, wenn sie log? Er würde ihr innerhalb weniger Minuten nachweisen, daß sie ihn hinters Licht geführt hatte. Wenn es wirklich so war, daß ihr Mann Mark getötet hatte, was erhoffte sie sich von einer solchen Ausrede? Und dann, Emma Thorp sah nicht
aus wie die Frau, die mithilft, einen Mord zu vertuschen. Rya hielt ihren Vater beim Arm gepackt. Ihre Blicke trafen sich. Immer noch die Maske aus Angst und Wut. Rya war jetzt bleich wie die Wand. »Wo ist das Eichhörnchen?« sagte sie. Es klang so schrill, so feindselig, daß Paul zusammenzuckte. »Haben die Jungen das Eichhörnchen mitgenommen, damit sie mit ihm Baseball spielen können?«
»Das Eichhörnchen haben sie bei mir gelassen«, sagte Emma. »Möchtest du's mitnehmen?« Sie sah Paul an und kniff ihm ein Auge zu. »Kommen Sie doch rein bitte.« In Pauls Gedanken geisterte die Geschichte herum, die Rya ihm vor einer halben Stunde erzählt hatte. Ob Bob Thorp noch in der Küche war? Wenn er den Jungen erschlagen hatte, würde er... Er verwarf den Gedanken. Emma sah nicht so aus wie eine Frau, in deren Küche vor einer halben Stunde ein kleiner Junge erschlagen worden war. Paul war bereit, jede Summe darauf zu verwetten, daß Emma eine solche
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