In der Kälte der Nacht
muß jetzt schnell sein, dachte Salsbury. Schneller denn je.
Er biß die Lippen zusammen und trat auf einen der kleinen Schwäne. Beglückt spürte er, wie das Glas unter seiner Sohle barst.
4. Kapite l
13 Uhr 10
Ein langanhaltender Donner rollte durch das Tal. Der Wind hatt e aufgefrischt. Paul kam der Wind vor wie eine Schleppe im Brautkleid des Donners. Er war hin und her gerissen zwischen seiner Bereitschaft, Emma Thorp zu glauben, und seiner Überzeugung, daß doch etwas Wahres dran war an der Geschichte, die Rya erzählt hatte. Inzwischen hatte die Kleine sogar Beweise für ihre Story. Die blutigen Tücher. Er ging die Stufen zur Veranda hinauf, Sam Edison folgte ihm. Sie waren vor der vorderen Eingangstür angekommen, als Sam seinem Freund die Hand auf die Schulter legte. »Warte noch!« Paul fuhr herum. Er war wütend. Der Wind spielte in seinem Haar. »Warten? Auf was?«
»Was du vorhast, nennt man Einbruch.«
»Die Tür ist offen, siehst du das nicht?«
»Wir haben trotzdem kein Recht, hier einzudringen«, sagte Sam. Er gab die Schulter seines Freundes frei. Seine Hand tippte auf den kupfernen Türknopf. »Es ist ja kein Zufall, daß die Tür offen ist. Deine Tochter hat sie aufgebrochen, vergiß das nicht.« Paul war klar, Sam sagte das nur, weil er ihm Schwierigkeiten mit der Polizei ersparen wollte. Aber die Ungeduld, sich Gewißheit zu verschaffen über den Verbleib seines Jungen, gewann die Oberhand über solche Überlegungen. »Was soll ich denn tun, Sam? Die Polizei rufen? Soll ich meine guten Beziehungen zum Polizeichef dieses Ortes einsetzen und ihn bitten, ein Ermittlungsverfahren gegen sich selbst einzuleiten?«
»Wir könnten die Polizei im nächsten Ort verständigen.«
»Nein.«
»Es ist unwahrscheinlich, daß die Leiche noch im Haus ist.«
»Die werden es nicht wagen, die Leiche bei hellichtem Tag aus dem Haus zu schaffen.«
»Vielleicht machen wir uns auch umsonst Sorgen. Vielleicht lebt der Junge noch.«
»Das hoffe ich. Bei Gott, das hoffe ich.«
»Wir sollten nicht ins Haus eindringen, Paul. Laß uns die Polizei des Staates Maine verständigen. Die sollen das untersuchen.«
»Du weißt, daß die zwei Stunden brauchen, ehe sie hier sind. Inzwischen ist die Leiche verschwunden.«
»Aber siehst du denn nicht, wie unwahrscheinlich die ganze Story ist, die deine Tochter uns auftischt? Warum in aller Welt sollte ein Mann wie Bob Thorp deinen Sohn Mark umbringen, kannst du mir das mal sagen?«
»Du hast gehört, was Rya gesagt hat. Dieser Soziologe hat ihm den Befehl dazu gegeben. Dieser Albert Deighton.«
»Sie hat nicht gesagt, daß der Mann Deighton hieß, Paul.«
»Du bist es, der auf den Namen Deighton gekommen ist, nach Ryas Beschreibung.«
»Zugegeben. Dann bleiben trotzdem noch einige Fragen. Zum Beispiel diese. Emma steht dabei, wie ihr Mann ein hilfloses Kind umbringt. Anschließend geht sie zum Gemeindetreffen, das in der Kirche stattfindet. Der kleine Jeremy wird Zeuge eines brutalen Mords, als wir ihn deswegen befragen, läßt er einen Lügenvorhang herunter. Welche Wahrscheinlichkeit hat das, Paul?«
»Es sind deine Nachbarn, nicht meine. Du kennst sie besser als ich.«
»Eben«, sagte Sam. »Deshalb habe ich ja auch so große Zweifel an Ryas Darstellung. Ich lebe seit vielen Jahren in diesem Ort, genauso wie Thorp und seine Frau. Ich kenne die beiden, und ich sage dir, Paul, sie sind nicht fähig zu einem solchen Mord.« Paul tastete nach seiner Magengegend. Die Krämpfe waren schlimmer geworden. Die Erinnerung an die Tücher, die Rya ihm gezeigt hatte, setzte ihm zu. Da war nicht nur Blut gewesen. Er hatte Haare gefunden. Marks Haare, unverkennbar. Paul war aus dem Gleichgewicht, auch körperlich, so tief saß der Schock. »Du hast die Menschen, von denen du sprichst, nur unter normalen Umständen erlebt«, sagte er. »Du weißt nicht, wie sie reagieren, wenn sie in eine Ausnahmesituation geraten.«
»In eine Ausnahmesituation?«
»In diesem Ort geht etwas Außergewöhnliches, etwas Unheimliches vor, Sam. Denk doch mal nach. Rya kommt und sagt, Mark ist ermordet worden. Sie bringt uns die blutigen Tücher. Buddy kommt und sagt, er hat Fremde gesehen, zwei Männer, die sich mitten in der Nacht am Trinkwasserreservoir zu schaffen machten. Wenige Tage nach Buddys Beobachtungen befällt eine rätselhafte Epidemie die Bewohner von Black River...« Sam kniff die Augen zusammen. »Du siehst einen Zusammenhang zwischen Marks Verschwinden und der Epidemie?« Ein
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