Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Kälte der Nacht

In der Kälte der Nacht

Titel: In der Kälte der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Angst, sondern vor dem Anblick der Leiche. Wie werde ich reagieren, wenn ich die Leiche meines Bruders finde? Sie begann in der Küche. Hier gab es nur wenige Verstecke, wo die Leiche eines neunjährigen Jungen Platz finden konnte. Rya warf einen Blick in den Kühlschrank, in die Kühltruhe, in die Vorratskammer. Sie fand nichts. Als sie das Schränkchen unter dem Spülbecken öffnete, fand sie einen Eimer mit blutigen Tüchern. Es waren keine Aufwischtücher, sondern Geschirrtücher. Sie hatten Geschirrtücher benutzt, um das Blut von den Kacheln und vom Boden wegzuwischen. Die blutigen Tücher waren dann im Mülleimer gelandet. Vielleicht hatten sie vorgehabt, die Beweisstücke zu vernichten, aber sie hatten noch keine Zeit dazu gehabt. Oder sie hatten es vergessen. Rya zog eines der Tücher aus dem Eimer hervor. Es fühlte sich kalt und feucht an. Schwer vom Blut. Sie ließ das Tuch auf den Boden fallen und starrte auf ihre Hand. Armer Mark. Etwas wie Verzweiflung und Bitterkeit überkam sie. Sie hörte ihr Herz schlagen. »Armer Mark«, flüsterte sie. »Du hast in deinem Leben niemandem etwas zuleide getan. Nicht einmal einem Tier. Was haben sie mit dir gemacht? Warum haben sie das getan?  Warum?«
    Sie war in die Hocke gegangen, um das blutige Tuch aus der Näh e zu betrachten. Sie stand auf. Ein paar Herzschläge lang war ihr schwarz vor Augen. Ich muß die Leiche finden. Ich will die Leiche nicht finden. Ich bin hier, um die Leiche zu finden. Ich habe Angst. Angst? Vorsicht? Rya stieß ihren Entschluß um. Die Leiche ihres Bruder. Nein. Die Vorstellung, vor dem blutüberströmten Leichnam des Kleinen zu stehen, war ihr unterträglich. Seine toten Augen. Der zerschmetterte Schädel. Nein. Es gab Grenzen, was ein Mädchen ertragen konnte.
    Ich werde nicht weitersuchen. Dieses Haus... Ich kann nicht weitersuchen. Ich werde... Sie brach in Tränen aus. Sie bückte sich, packte den Henkel des Eimers und verließ das Haus. Sie vermied es, auf die blutgetränkten Tücher zu sehen. Um 12 Uhr 45 verließ Salsbury sein Zimmer. Er nahm seinen Aktenkoffer mit. Er ging die Treppe hinunter und betrat den Aufenthaltsraum für die Gäste. Pauline Vicker saß in dem größten der drei Lehnstühle, die im Aufenthaltsraum standen. Sie war eine stämmige Frau, Anfang Sechzig. Lockergekämmtes graues Haar. Gesunde Gesichtsfarbe. Doppelkinn. Der Blick war fröhlich, Pauline Vicker war eine Frau, die eigentlich immer gute Laune hatte. Der Typ der Großmutter, wie Filmregisseure in Hollyw00d sich Großmütter vorstellen. Sie war barfuß. Sie hatte die Füße auf einen gepolsterten Schemel gelegt. Sie aß Bonbons und betrachtete die Folge einer Fernsehserie, die sie sehr liebte. Er war am Türrahmen stehengeblieben. Er räusperte sich. »Mrs. Vicker?« Sie sah auf. Er betrachtete sie, während sie an ihrem Karamelbonbon weiterkaute. Sie schien Schwierigkeiten beim Herunterschlucken des Bonbonsaftes zu haben. Dann: »Guten Tag, Mr. Deighton. Wenn Sie irgend etwas wünschen, ich meine, wenn Sie eine Beschwerde haben wegen Ihres Zimmers oder so, meinen Sie nicht, daß das ein paar Minuten Zeit hätte, ich will nur noch die Folge zu Ende sehen. Es ist meine Lieblingsserie, und ich...«
    »Ich bin der Schlüssel«, sagte er ungeduldig. »Ach so«, sagte Mrs. Vicker. Sie war sichtlich verärgert, daß sie die Folge nun nicht mehr zu Ende sehen konnte. »Ich bin das Schloß.«
    »Stehen Sie auf, Mrs. Vicker.« Mühsam erhob sie sich aus dem Lehnsessel. Fette, alte Kuh, dachte Salsbury. »Was wünschen Sie?« kam ihre Frage. Es klang aufgeräumt und
    dienstfertig. »Ich brauche diesen Raum«, sagte er und ging auf den Schreibtisch zu, wo Mrs. Vickers Telefon stand. »Ich möchte nicht gestört werden.«
    »Soll ich hinausgehen?«
    »Ja, und zwar sofort.« Ein wohlgelauntes Lächeln. Sie schnappte sich die Büchse mit den Karamelbonbons. »Ich bin schon so gut wie draußen, Mr. Deighton. So gut wie. Lassen Sie sich Zeit. Ich werde dafür sorgen, daß niemand Sie stört.«
    »Mrs. Vicker?«
    »Ja?«
    »Sie können dort Ihre Karamelbonbons essen, wenn Sie wollen.«
    »Gut.«
    »Stellen Sie das Radio in der Küche an, und bleiben Sie dort, bis ich komme.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Ist das ganz klar?«
    »Aber gewiß doch. Ich werde exakt das tun, was Sie sagen. Sie können ja nachsehen kommen, wenn Sie mir nicht glauben. Ich werde jetzt schnurstracks in die Küche gehen und meine Karamelbonbons essen und Radio hören.«
    »Schließen Sie die

Weitere Kostenlose Bücher