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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Dion.
    »Ein echtes Schnäppchen. Und wer genau hat die Hand aufgehalten?«
    »Ähm?«
    »Name und Dienstgrad des Typen«, sagte der Hagere.
    »Oberbootsmann Brogan«, erwiderte Dion. »Wieso, willst du zur Marine?«
    Der Bursche blinzelte und taxierte sie mit kaltem Lächeln, ohne ein Wort zu sagen, ehe sich sein Lächeln urplötzlich in Luft auflöste. »Ich lasse mich jedenfalls nicht schmieren.«
    »Gut so«, sagte Joe, dessen Nerven sich allmählich wieder beruhigten.
    »Was soll das heißen, gut so?«
    Joe nickte, während er mit aller Macht dem Drang widerstand, wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen und einen auf netter Kerl zu machen.
    »Ich weiß selbst, dass das gut so ist«, fuhr der Hagere fort. »Ist hier irgendwie der Eindruck entstanden, ich hätte dich um deine Meinung gebeten?«
    Joe schwieg.
    »Habe ich nämlich nicht.«
    Ein Rumpeln drang aus dem hinteren Teil des Lastwagens, und der Hagere warf seinem Partner einen Blick zu. Im selben Augenblick hielt ihm Joe auch schon seine 32er Savage unter die Nase.
    Der Hagere stierte auf den Pistolenlauf; seine Atmung beschleunigte sich hörbar. Dion stieg aus dem Laster und nahm ihm den Colt ab.
    »Kerle mit so schlechten Zähnen wie du«, sagte Dion, »sollten besser nicht mit dem Finger auf Dicke zeigen. Sondern lieber das Maul nicht so weit aufreißen.«
    »Ja, Sir«, flüsterte der Hagere.
    »Wie heißt du?«
    »Perkin, Sir.«
    »Also, Perkinsir«, sagte Dion, »im Lauf des Tages werden mein Partner und ich darüber entscheiden, ob wir dich am Leben lassen. Falls wir ein Auge zudrücken sollten, wirst du es daran merken, dass du nicht tot bist. Aber ehrlich gesagt sehe ich da schwarz, nachdem du uns so blöd gekommen bist. Und jetzt nimm deine verdammten Pfoten hinter den Rücken.«
    Zuerst sprangen vier Pescatore-Gangster – sie trugen Sommeranzüge und buntgemusterte Krawatten – von der Ladefläche des Lastwagens. Sie stießen den Jungen mit dem strohigen Haar vor sich her; Sal Urso bohrte ihm sein eigenes Schnellfeuergewehr in den Rücken, während der Bursche unter Tränen um sein Leben bettelte. Dann folgten die Kubaner, etwa dreißig an der Zahl; in ihren weißen Kordelzughosen und den weiten weißen Hemden wirkten sie auf den ersten Blick, als würden sie Schlafanzüge tragen. Alle waren mit Gewehren oder Pistolen bewaffnet. Einer hatte eine Machete bei sich, ein anderer hielt zwei große Messer in Händen. An ihrer Spitze befand sich Esteban. Er trug eine dunkelgrüne Militärjacke und eine dunkelgrüne Armeehose, offenbar die Kampfmontur erster Wahl für Revolutionäre aus Bananenrepubliken, wie Joe dachte. Esteban nickte ihm zu, während seine Leute auf das Gelände vorrückten.
    Joe sah Perkin an. »Wie viele von euch sind da drin?«
    »Vierzehn Mann.«
    »Warum so wenige?«
    »Mitten in der Woche ist hier nichts los. Erst wieder am Wochenende.« Ein fieses Glimmen erschien in seinen Augen. »Da würden Sie es mit unserer ganzen Truppe zu tun bekommen.«
    »Das glaube ich gern, Perkin.« Joe öffnete die Beifahrertür und stieg ebenfalls aus. »Aber im Moment muss ich mich mit Ihrer Wenigkeit begnügen.«
    Der Einzige, der unmittelbar zur Gegenwehr überging, als dreißig bewaffnete Kubaner das Munitionsdepot stürmten, war ein wahrer Gigant von Mann, gut zwei Meter groß, wie Joe schätzte, ein Riese mit einem gewaltigen Kopf, einem geradezu monströsen Kiefer und Schultern wie Deckenbalken. Er ging geradewegs auf drei Kubaner los, die strikte Order hatten, keinen Gebrauch von ihren Waffen zu machen. Sie schossen trotzdem. Nur dass sie den Riesen nicht trafen – sie verfehlten ihn um Längen, obwohl er gerade mal sechs Meter von ihnen entfernt war. Stattdessen erwischten sie einen von ihren eigenen Leuten, der gerade hinter dem Riesen aufgetaucht war.
    Joe und Dion ihrerseits befanden sich direkt hinter dem unglückseligen Kubaner. Er drehte sich wie eine Bowlingkugel einmal um sich selbst und ging zu Boden, und Joe rief: »Aufhören! Nicht schießen!«
    »Dejar de disparar!« , brüllte Dion. »Dejar de disparar!«
    Die Kubaner hielten inne, doch Joe konnte nicht sicher sein, ob sie ihre altersschwachen Repetierbüchsen nicht bloß nachluden. Er griff sich das Gewehr des getroffenen Kubaners, packte es am Lauf und schlug zu, als der Riese sich wieder aus seiner geduckten Haltung aufrichtete. Er erwischte ihn seitlich am Kopf, doch der Hüne prallte nur wie ein Ball von der nächstgelegenen Wand ab. Seine Arme bewegten sich wie

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