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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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bis zu ihrem Handgelenk fortsetzen konnte.
    Und dann verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige.
    »Heiliger Strohsack!«, platzte er heraus. »Ich mache das doch nicht zum Vergnügen!«
    »Das behaupten Sie!« Abermals schlug sie nach ihm, erwischte ihn diesmal am Unterkiefer.
    »Hey! Ich kann in dem verdammten Depot nicht mit ramponiertem Gesicht auftauchen!«
    »Na, dann hindern Sie mich doch.« Erneut holte sie zu einem Schwinger aus.
    Diesmal konnte er ihrem Schlag ausweichen, und dann kam er ihrer Vereinbarung nach – wobei sich Theorie und Praxis bis zu ihren wahrlich nicht zimperlichen Schlägen einmal mehr als zwei grundverschiedene Paar Stiefel erwiesen hatten. Er revanchierte sich, indem er ihr den Handrücken knallhart ins Gesicht schlug. Sie taumelte zur Seite; die Haare hingen ihr ins Gesicht, als sie einen Augenblick lang schwer atmend mit gesenktem Kopf auf der Stelle verharrte. Als sie den Blick wieder hob, war ihr Gesicht gerötet, und um ihr rechtes Auge zuckte es. Sie spie in ein Gebüsch am Straßenrand.
    Seinem Blick wich sie aus. »Ich glaube, das reicht jetzt.«
    Joe wollte irgendetwas sagen, doch fiel ihm beim besten Willen nichts ein, weshalb er zum Führerhaus des Lasters zurückging. Dion sah vom Beifahrersitz zu ihm hinaus. Ehe Joe einstieg, warf er einen Blick zu ihr zurück. »Ich hab’s nicht gern getan.«
    »Tja«, erwiderte sie und spuckte nochmals aus. »Aber trotzdem war’s Ihre Idee.«
    »Also, ich bin auch kein Frauenschläger«, sagte Dion, während sie ihren Weg fortsetzten. »Aber manchmal ist es eben die einzige Sprache, die die Weiber verstehen.«
    »Das war was anderes«, sagte Joe. »Ich habe ihr ja keine gefeuert, weil sie’s drauf angelegt hatte.«
    »Nee, du hast ihr eine gefeuert, weil du ihr einen Schwung Automatikgewehre und Maschinenpistolen besorgen willst, damit ihre Freunde auf der Insel der tausend Freuden was zu spielen haben.« Dion zuckte mit den Schultern. »Es ist ein mieses Geschäft, und wir tun miese Dinge. Sie wollte die Waffen. Und du wirst sie ihr besorgen.«
    »Noch haben wir sie nicht«, sagte Joe.
    Sie hielten ein letztes Mal am Straßenrand, damit Joe seine Uniform anziehen konnte. Dion klopfte gegen die Rückwand des Führerhauses und rief: »Ab jetzt macht ihr’s wie die Katzen, wenn der Kampfhund kommt. Kein Mucks mehr, comprende? «
    Von hinten antwortete ein Chor mit einem donnernden »Sí« , und dann war nichts mehr zu hören außer dem allgegenwärtigen Summen der Insekten.
    »Bist du bereit?«, fragte Joe.
    Dion schlug gegen die Türverkleidung. »Na, deswegen stehe ich doch jeden Morgen auf, Mann.«
    Das Munitionsdepot der Nationalgarde befand sich außerhalb von Tampa, am Nordrand von Hillsborough County, einem kargen Landstrich, der weit und breit nichts zu bieten hatte außer Zitronenhainen, Zypressensümpfen und verwilderten Feldern, die in der Sonne vor sich hin dorrten und nur auf den Funken warteten, der sie in Brand setzen würde.
    Zwei Wachposten sicherten das Tor. Der eine trug einen 45er Colt, der andere ein Schnellfeuergewehr – genau die Waffen, die sie sich hier en gros unter den Nagel reißen wollten. Die Wache mit dem Revolver war ein hoch aufgeschossener, hagerer Typ mit Bürstenschnitt und den eingefallenen Wangen eines Mannes mit schlechten Zähnen. Der Junge mit dem Schnellfeuergewehr war gerade den Windeln entwachsen; er hatte strohiges Haar und einen völlig ausdruckslosen Blick. Sein Gesicht war von schwarzen Pickeln übersät.
    Er stellte kein Problem dar, aber der Hagere machte Joe Sorgen. Man sah sofort, dass er ein scharfer Hund war. Er musterte sie mit nahezu aufreizender Ruhe, und es ging ihm sichtlich am Arsch vorbei, ob es ihnen gefiel oder nicht.
    »Seid ihr die Jungs, deren Schiff in die Luft gejagt worden ist?« Wie Joe bereits vermutet hatte, waren seine Zähne grau und so schief wie Grabsteine auf einem überfluteten Friedhof.
    Dion nickte. »Die Mistkerle haben uns den halben Rumpf weggesprengt.«
    Der Hagere richtete den Blick auf Dion. »Wie bist du denn durch die letzte Tauglichkeitsprüfung gekommen, Dicker?«
    Das Gewehr lässig in der Armbeuge, verließ der Jungspund sein Wachhäuschen und schritt die Seite des Lastwagens ab. Die Hitze schien ihm schwer zuzusetzen; sein Mund stand halb offen, als würde er jede Sekunde zu hecheln anfangen.
    »Ich habe dir ’ne Frage gestellt, Dicker«, sagte der Hagere.
    Dion lächelte. »Fünfzig Mäuse.«
    »Das hast du bezahlt?«
    »Ja«, sagte

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