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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Dann kommt noch das Köpfen, das Geizen und natürlich die Ernte«, sagte Ciggy. »Die Blätter müssen getrocknet, aufgefädelt und aufgehängt werden, und dann muss sich natürlich jemand um das Feuer in der Scheune kümmern.« Er breitete die Arme aus, um zu versinnbildlichen, was alles an Arbeit auf sie zukam.
    »Was bringt uns das finanziell ein?«, fragte Graciela.
    Ciggy sagte es ihnen.
    Joe nippte an seinem Rum. »In einem guten Jahr ohne Blauschimmel, Heuschreckenplagen oder Dauerregen springen für uns also vier Prozent Rendite heraus.« Er sah Ciggy an. »Richtig?«
    »Ja, aber nur, weil Sie vorläufig bloß ein Viertel Ihres Landes bewirtschaften wollen. Wenn Sie auch in die anderen Felder investieren, sind Sie in fünf Jahren ein reicher Mann.«
    »Wir sind schon reich«, sagte Graciela.
    »Dann wären Sie noch reicher.«
    »Und wenn wir gar nicht reicher werden wollen?«
    »Betrachten Sie es mal so herum«, erwiderte Ciggy. »Wenn die Leute im Dorf weiter hungern müssen, schlafen sie irgendwann womöglich vor Ihrer Haustür.«
    Joe setzte sich auf. »Soll das eine Drohung sein?«
    Ciggy schüttelte den Kopf. »Alle hier in der Gegend wissen, wer Sie sind, Mr.   Coughlin. Ein berühmter amerikanischer Gangster, der mit dem Oberst befreundet ist. Wer Sie einschüchtern will, kann genauso gut gleich von der höchsten Klippe ins Meer springen.« Er bekreuzigte sich feierlich. »Aber wenn Menschen hungern und keine Bleibe haben, was wird dann aus ihnen?«
    »Auf meinem Grund und Boden haben sie jedenfalls nichts zu suchen.«
    »Aber es ist nicht Ihr Land, Mr.   Coughlin. Es gehört Gott. Sie haben es sich nur geliehen. Und das gilt für diesen Rum«, er hob sein Glas, »genauso wie für unser ganzes Leben.« Er klopfte sich an die Brust. »Gott hat es uns bloß geliehen.«
    Das Haupthaus nahm fast ebenso viel Arbeit in Anspruch wie die Plantage.
    Während draußen der Tabak gepflanzt wurde, kümmerte sich Graciela um die Renovierung. Die Wände wurden neu verputzt und gestrichen, Böden herausgerissen und ersetzt. Das Haus hatte nur eine Toilette gehabt; als Ciggy mit dem Köpfen der Pflanzen begann, waren es vier.
    Die in Reihen stehenden Pflanzen waren nun über einen Meter groß. Als Joe eines Morgens erwachte, stieg ihm ein so süßer, verführerischer Duft in die Nase, dass er sofort einen lustvollen Blick auf Gracielas anmutig geschwungenen Nacken warf. Tomas schlief noch in seinem Bettchen, als Graciela und Joe auf den Balkon traten und auf die Felder hinausblickten. Am Vorabend waren sie noch braun gewesen, doch nun lag ein schier endloser grüner Teppich vor ihnen, gekrönt von rosa und weißen Blüten, die im sanften Morgenlicht schimmerten, so weit das Auge reichte.
    Graciela schlang einen Arm um seinen Nacken. Er legte seine Rechte um ihre Taille und schmiegte seinen Kopf an ihren Hals.
    »Und du glaubst nicht an Gott«, sagte sie.
    Er atmete tief ein. »Und du glaubst nicht, dass man mit schmutzigem Geld Gutes vollbringen kann.«
    Sie lachte in sich hinein, ein leises Beben, das er an seiner Wange spürte.
    Später an jenem Morgen trafen die Arbeiter mit ihren Kindern ein, streiften durch die Tabakreihen und entfernten die Blüten. Die Pflanzen breiteten ihre Blätter aus wie Flügel, und als Joe am nächsten Morgen aus dem Fenster blickte, war die ganze Blütenpracht verschwunden. Unter Ciggys Führung lief alles wie am Schnürchen. Für die nächsten Arbeitsgänge holte er noch mehr Kinder aus dem Dorf, und zuweilen steckten sie Tomas mit ihrem Lachen an, das von der Plantage ins Haus herüberdrang. So manchen Abend lauschte Joe den Jungen, während sie draußen auf einem der brachliegenden Felder Baseball spielten, bis auch der letzte Sonnenstrahl verblichen war. Sie spielten mit einem Besenstiel und einem ausgedienten Cricketball, den sie irgendwo gefunden hatten. Von der Lederhülle war nichts mehr übrig, doch der von eng gewickelter Schnur umgebene Kern aus Kork war nach wie vor intakt.
    Während er ihren Rufen lauschte, musste er ein ums andere Mal daran denken, was Graciela vor ein paar Tagen zu ihm gesagt hatte. Dass es Tomas bestimmt gefallen würde, einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester zu bekommen.
    Und er dachte: Warum eigentlich nicht?
    Die Renovierung des Hauses schritt nur langsam voran. Eines Tages fuhr Joe nach Havanna, um mit Diego Alvarez zu sprechen, einem Künstler, der sich auf die Restauration von Buntglasfenstern spezialisiert hatte. Sie einigten sich auf

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