In der Nacht (German Edition)
Tacon-Market-Bezirk vorweisen.
Sie würden Geld ohne Ende scheffeln.
Graciela sagte, Mendieta sei nichts weiter als Batistas Marionette und Batista wiederum nur eine Marionette der United Fruit Company und der USA ; er würde den Staatshaushalt und das gesamte Land plündern, und die Vereinigten Staaten würden ihm weiter Rückendeckung geben, weil Amerika seit jeher der Überzeugung war, dass unrechtmäßig erworbenes Geld durchaus auch guten Zwecken dienen konnte.
Joe sagte gar nichts dazu. Er wies auch nicht darauf hin, dass sie selbst mit schmutzigem Geld Gutes vollbracht hatten. Stattdessen fragte er sie nach dem Haus, auf das sie ein Auge geworfen hatte.
Tatsächlich handelte es sich um eine pleitegegangene Tabakplantage fünfzig Meilen weiter westlich, unweit des Dörfchens Arcenas in der Provinz Pinar del Río. Ein Gästehaus für Gracielas Familie war ebenso vorhanden wie endlose Felder mit dunkler Erde, auf denen Tomas sich austoben konnte. An dem Tag, als Joe und Graciela das Anwesen von der Witwe Domenica Gomez erwarben, stellte sie ihnen draußen vor dem Anwaltsbüro Ilario Bacigalupi vor, der ihnen, wie sie erklärte, alles über Tabakanbau erklären konnte – vorausgesetzt natürlich, dass sie sich dafür interessierten.
Joe fasste den kleinen, rundlichen Mann mit dem Banditenschnauzbart ins Auge, während die Witwe mit ihrem Chauffeur in einem zweifarbigen Detroit Electric davonfuhr. Er hatte Ilario ein paarmal zusammen mit Domenica gesehen und angenommen, dass er ihr Leibwächter war. Nun aber fielen ihm zum ersten Mal seine riesigen, vernarbten Hände auf, die ausgeprägten Knochen.
Er hatte keinen Gedanken darauf verschwendet, was er mit all den Feldern anstellen sollte.
Ilario Bacigalupi hingegen hatte sich eine Menge Gedanken darüber gemacht.
Zunächst aber erklärte er Joe und Graciela, dass ihn alle nur Ciggy nannten, was aber nichts mit Tabak zu tun hatte. Als Kind war es ihm ums Verrecken nicht gelungen, seinen eigenen Nachnamen auszusprechen; stets war er bei der zweiten Silbe hängengeblieben.
Er erzählte ihnen, dass etwa zwanzig Prozent der Einwohner von Arcenas bis vor kurzem auf der Gomez-Plantage beschäftigt gewesen waren, doch seit Señor Farmer Gomez sich erst dem Suff ergeben hatte, dann vom Pferd gestürzt und schließlich dem Wahnsinn anheimgefallen war, gab es keine Arbeit mehr. Weshalb so viele Kinder im Dorf ohne Hose herumliefen. Hemden konnten ein Leben lang halten, wenn man sie anständig pflegte, doch Hosen fielen irgendwann unweigerlich auseinander.
Joe war selbst bereits das eine oder andere Mal durch Arcenas gekommen, und auch ihm war aufgefallen, wie viele Kinder dort mit nacktem Hintern herumliefen. Manche hatten sogar überhaupt nichts am Leib getragen. Das Bergdorf Arcenas war kaum mehr als eine Ansammlung windschiefer Hütten mit Wänden und Dächern aus Palmwedeln. Menschliche Exkremente flossen durch drei Gräben in denselben Fluss, aus dem die Dorfbewohner ihr Trinkwasser holten. Es gab keinen Bürgermeister oder Dorfvorstand. Schlammige Pfade zogen sich zwischen den Baracken hindurch.
»Aber wir haben nicht die geringste Ahnung vom Tabakanbau«, sagte Graciela.
An jenem Tag saßen sie in einer cantina in Pinar del Río.
»Ich schon«, sagte Ciggy. »Ich weiß so viel darüber, señorita, dass ich alles Überflüssige vergessen habe.«
Während Joe in Ciggys schmale wissende Augen blickte, dämmerte ihm langsam, in welcher Beziehung der Vorarbeiter und die Witwe gestanden hatten. Nun ging ihm auf, dass Ciggy den Verkauf der Plantage vorangetrieben hatte, um seinen eigenen Lebensunterhalt zu sichern.
Joe füllte ihre Rumgläser auf. »Wie würden Sie denn anfangen?«
»Erst einmal müssen die Saatbeete vorbereitet und die Felder gepflügt werden. Das zuallererst, patrón, das zuallererst. Nächsten Monat können wir loslegen.«
»Wie viele Leute benötigen Sie?«, fragte Graciela.
Ciggy erklärte, erst einmal benötige er Männer und Kinder für die Aussaat. Dann müsse alles regelmäßig auf Pilz- und Schimmelbefall kontrolliert werden, und schließlich würden sie weitere Männer und Kinder brauchen, um den Tabak auf den Feldern auszupflanzen, den Boden umzugraben und Erdraupen, Maulwurfsgrillen und Stinkwanzen unschädlich zu machen. Außerdem müssten sie einen Piloten einstellen, der die Schädlingsbekämpfung aus der Luft übernahm.
»Du lieber Himmel«, platzte Joe heraus. »Das ist ja eine Heidenarbeit.«
»Das ist noch gar nichts.
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