In der Nacht (German Edition)
anderen Polizisten geschossen hatte (wenn auch schlecht gezielt), erwiderten diese das Feuer.
Donnie Gishlers Cole Roadster kam um 21 : 50 Uhr im strömenden Regen von der Straße ab. Sie rasten gerade die Ocean Avenue in Marblehead am Lady’s Cove hinunter, als einer der Beamten entweder einen Glückstreffer in einen der Reifen landete oder – um einiges wahrscheinlicher bei satten vierzig Meilen pro Stunde auf nassem Asphalt – besagter Reifen, mittlerweile völlig verschlissen, schlicht und einfach platzte. Wie auch immer, jener Teil der Ocean Avenue bot wenig Avenue und reichlich Ozean. Der Cole schmierte auf den verbliebenen drei Reifen ab, holperte über den Seitenstreifen, wobei das Heck ausbrach und sich der Wagen plötzlich in der Luft befand. Mit zwei zerschossenen Fenstern stürzte er ins 2,50 Meter tiefe Wasser und ging unter, bevor die meisten Polizisten überhaupt aus ihren Fahrzeugen gestiegen waren.
Ein Streifencop aus Beverly, Lew Burliegh, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und sprang ins Meer, doch unter Wasser konnte er nicht die Hand vor Augen sehen, und daran änderte sich auch nichts, als jemand auf die Idee kam, die Scheinwerfer der Streifenwagen auf die Bucht zu richten. Burliegh absolvierte insgesamt vier Tauchgänge, die ihn anschließend wegen Unterkühlung einen Tag lang ins Krankenhaus brachten, konnte den Wagen aber nicht ausfindig machen.
Das gelang am nächsten Tag den Polizeitauchern. Es war kurz nach zwei, und Gishler saß immer noch hinter dem Steuer. Ein Teil des Lenkrads war abgesplittert und hatte sich durch seine Achselhöhle gebohrt, die Gangschaltung seine Leiste durchstoßen. Doch das hatte ihn nicht umgebracht. Eine der mehr als fünfzig auf ihn abgefeuerten Kugeln hatte ihn im Hinterkopf getroffen. Selbst mit intakten Reifen wäre der Wagen unweigerlich im Wasser gelandet.
Sie fanden ein silbernes Haarband und eine dazu passende Feder, die an der Decke des Roadster trieb. Von Emma Gould fehlte jede Spur.
Die Schießerei zwischen der Polizei und drei Gangstern auf der Rückseite des Statler Hotels ging bereits nach zehn Minuten in die Annalen der Bostoner Geschichte ein – und das, obwohl niemand zu Schaden gekommen war und in all dem Chaos tatsächlich nur wenige Kugeln abgefeuert worden waren. Den Gangstern hatte der glückliche Zufall in die Hände gespielt, dass sie just in jenem Moment aus der Gasse geflohen waren, als das Theatervolk die Restaurants verließ und sich zum Colonial und zum Plymouth aufmachte. Die Wiederaufführung von Pygmalion war bereits seit drei Wochen ausverkauft, und das Plymouth hatte mit dem Drama Playboy of the Western World die Sittenwächterinnen der Watch & Ward Society auf den Plan gerufen. Dutzende von Demonstrantinnen waren gekommen, graue Mäuse mit säuerlich verzogenen Lippen und unermüdlichen Stimmbändern, was dem Stück aber lediglich zu noch mehr Aufmerksamkeit verhalf. Der lautstark-schrille Auftritt der Frauen kurbelte nicht nur das Geschäft an, sondern erwies sich auch als Segen für die Gangster. Als das Trio, dicht gefolgt von der Polizei, aus der Gasse stürmte und die Watch-&-Ward-Weiber die gezückten Waffen erblickten, kreischten sie los wie die Furien. Pärchen stürzten hastig in die nächstgelegenen Hauseingänge, um sich in Sicherheit zu bringen, und ein Chauffeur kam urplötzlich ins Schlingern und knallte mit dem Pierce-Arrow seines Chefs gegen einen Laternenmast, als der Nieselregen von einer Sekunde auf die andere in einen Wolkenbruch überging. Als die Beamten die Lage wieder einigermaßen überblickten, hatten die Gangster einen Wagen auf der Piedmont Street gekapert und sich im erbarmungslos niederprasselnden Regen davongemacht.
Die »Statler-Schießerei« sorgte für satte Auflagen. Die Story begann einfach – heldenhafte Cops liefern sich ein Feuergefecht mit Polizistenmördern und verhaften einen von ihnen. Dann allerdings wurde es schon komplizierter. Ein Krankenwagenfahrer namens Oscar Fayette steckte der Presse, dass der verhaftete Gangster in Lebensgefahr schwebte, nachdem er von den Cops aufs Übelste misshandelt worden war. Kurz nach Mitternacht verbreitete sich in den Redaktionen an der Washington Street das unbestätigte Gerücht, in Marblehead sei ein Wagen von der Straße abgekommen und bei Lady’s Cove ins Meer gestürzt – ein Wagen, in dem sich eine eingeschlossene Frau befunden hatte.
Dann machte die Runde, dass es sich bei einem der in die Schießerei verwickelten
Weitere Kostenlose Bücher