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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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ANLIEFERUNGEN stand.
    »Ich peile mal die Lage.« Loomis öffnete die Tür und trat hinaus in die rauhe Märznacht. Im Nieselregen rochen die eisernen Feuerleitern nach Stanniol, und dazu stieg Joe der Geruch des Neubaus in die Nase, so frisch, als würde noch der von den Bohrern aufgewirbelte Kalkstaub in der Luft hängen.
    Albert drehte Joe zu sich herum und richtete dessen Krawatte. Er spie in seine Handflächen und strich Joes Haare glatt. Mit leerem Blick sah er Joe an. »Ich wollte nie jemand werden, der andere umbringt, um seinen Anteil zu sichern, und trotzdem ist genau das aus mir geworden. Nachts kriege ich kein Auge mehr zu, und morgens steht die Angst neben mir – jeden Tag derselbe Alptraum, Joe.« Er rückte Joes Kragen gerade. »Und du?«
    »Was?«
    »Wolltest du schon mal jemand anders sein?«
    »Nein.«
    Albert wischte irgendetwas von Joes Schulter. »Ich habe ihr versprochen, dich nicht zu töten, wenn sie dich hierherlockt. Niemand hat geglaubt, du wärst blöd genug, dich tatsächlich hier blicken zu lassen, aber ich hätte meinen Hut drauf verwettet. Wie auch immer, jedenfalls hat sie eingewilligt – und sich eingebildet, damit deine Haut retten zu können. Aber du und ich, wir wissen, dass ich dich töten muss, Joe.« Ein feuchter Schimmer lag in seinem untröstlichen Blick. »Nicht wahr?«
    Joe nickte.
    Albert nickte ebenfalls. Er beugte sich zu Joe. »Und anschließend mache ich mit ihr kurzen Prozess.«
    »Warum?«
    »Weil ich sie auch geliebt habe.« Albert hob die Augenbrauen und senkte sie wieder. »Außerdem ist ja wohl klar, wer euch den Tipp gegeben hat, meine Spielhölle zu überfallen – du erinnerst dich sicher an den Morgen, oder?«
    »Moment«, sagte Joe. »Sie hat mir überhaupt keinen Tipp gegeben.«
    »Tja, was solltest du auch sonst sagen?« Albert rückte seinen Kragen gerade, glättete sein Hemd. »Sieh’s einfach mal so: Wenn ihr tatsächlich füreinander geschaffen seid, seht ihr euch heute Nacht im Himmel wieder.«
    Er rammte Joe die Faust in den Magen, direkt in den Solarplexus. Joe krümmte sich vornüber und bekam abermals keine Luft mehr. Er riss an seinen Fesseln und versuchte, Albert einen Kopfstoß zu verpassen, doch Albert wehrte ihn mit einer Ohrfeige ab und öffnete die Tür, die hinaus auf die Gasse führte.
    Er packte Joe an den Haaren und riss seinen Kopf nach hinten, so dass Joe den Wagen sehen konnte, der auf ihn wartete. Die eine hintere Tür stand offen, daneben Julian Bones. Loomis trat zu ihnen, ergriff Joe am Ellbogen, und zusammen zerrten sie ihn zum Auto. Als sie ihn mit dem Kopf voran hineinstießen, roch Joe die dreckigen, ölverschmierten Lappen, die auf dem Boden vor dem Rücksitz lagen.
    Dann ließen sie ihn urplötzlich los. Als er mit den Knien auf die Straße sackte, hörte er, wie Albert brüllte, »Los, weg! Weg, weg!«, dann die eiligen Schritte der drei auf den Pflastersteinen, und vielleicht hatten sie ihm ja bereits einen Kopfschuss verpasst, weil plötzlich der Himmel aufzureißen schien und ihm gleißende Lichter in die Augen stachen.
    Sein Gesicht war ganz in Weiß getaucht, und die Gebäude ringsherum erstrahlten in Blau und Rot; Reifen quietschten, jemand rief irgendetwas durch ein Megaphon, und dann peitschten Schüsse durch die Nacht.
    Ein Mann kam durch den weißen Nebel auf Joe zu, ein stattlicher, selbstsicherer Mann, der seine Autorität zur Schau trug, als sei sie ihm mit der Geburt verliehen worden.
    Sein Vater.
    Weitere Männer traten aus dem Gleißen, und kurz darauf war Joe von einem guten Dutzend Beamten des Boston Police Department umringt.
    Sein Vater reckte das Kinn. »Jetzt hast du’s also zum Polizistenmörder gebracht, Joseph.«
    »Ich habe niemanden umgebracht«, sagte Joe.
    Sein Vater schenkte dem keine Beachtung. »Sieht aus, als hätten dich deine Komplizen auf eine Spritztour ohne Wiederkehr mitnehmen wollen. Warst du ihnen plötzlich ein Klotz am Bein, oder was?«
    Mehrere der Cops hielten plötzlich ihre Schlagstöcke in Händen.
    »Sie haben Emma mit einem Wagen weggebracht. Sie werden sie töten.«
    »Wer?«
    »Albert White, Brendan Loomis, Julian Bones und irgendein Typ namens Donnie.«
    Von der Straße hinter der Gasse drang das Kreischen mehrerer Frauen zu ihnen herüber. Ein Hupe ertönte, gefolgt vom schweren Aufprall eines Automobils. Weitere Schreie folgten. Es nieselte nicht mehr, sondern goss plötzlich wie aus Kannen.
    Sein Vater blickte zu seinen Männern, dann wieder zu Joe. »Wirklich ein

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