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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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deutete mit dem Kinn die Gasse hinauf. »Irgendwo da vorne.«
    Thomas setzte sich in Bewegung, und Pooley folgte ihm. Als sie die Gruppe von Polizisten erreichten, die vor dem Lieferanteneingang stand, vermied es Thomas, sich die Blutpfütze neben seinem rechten Fuß näher zu betrachten, eine Lache, die sich mit dem Regen vermischt hatte und immer noch karmesinrot schimmerte. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf Steve Forman, seinen Einsatzleiter.
    »Habt ihr rausgefunden, um was für Fahrzeuge es sich handelt?«
    Forman schlug seinen Stenoblock auf. »Einer der Tellerwäscher hat ausgesagt, zwischen 20.15 und 20.30   Uhr hätte ein Cole Roadster hier in der Gasse geparkt. Danach ist der Roadster verschwunden und stattdessen ein Dodge aufgetaucht.«
    Der Dodge war der Wagen, in den sie Joe gerade stoßen wollten, als Thomas mit der Kavallerie eingetroffen war.
    »Verschärfte Fahndung nach dem Roadster«, sagte Thomas. »Der Name des Fahrers ist Donald Gishler. Wir gehen davon aus, dass sich außer ihm noch eine Frau im Wagen befindet, eine gewisse Emma Gould. Steve, die Goulds aus Charlestown sagen dir auch was, oder?«
    »Teufel, ja«, erwiderte Forman.
    »Bobo ist nur ihr Onkel. Sie ist die Tochter von Ollie Gould.«
    »Ah, ja.«
    »Schick mal jemanden rüber in die Union Street, um zu überprüfen, ob sie nicht doch womöglich sanft und süß in ihrem Bett schlummert. Sergeant Pooley?«
    »Ja, Sir!«
    »Hatten Sie schon mal was mit diesem Gishler zu tun?«
    Pooley nickte. »Er ist ungefähr 1,70   Meter groß, bringt etwa 85   Kilo auf die Waage. Trägt fast immer eine schwarze Strickmütze. Bei unserer letzten Begegnung hatte er einen Schnäuzer. Im Revier Sechzehn gibt’s garantiert den üblichen Schnappschuss von ihm.«
    »Den will ich haben. Und geben Sie seine Beschreibung an alle Einheiten durch.«
    Sein Blick fiel auf die Blutlache zu seinen Füßen. Ein Zahn schwamm darin.
    Er und sein ältester Sohn Aiden hatten schon seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen, auch wenn er sporadisch nüchterne Briefe von ihm erhielt – lapidare Fakten ohne jede persönliche Note. Er wusste nicht, wo er lebte, nicht mal, ob er überhaupt noch am Leben war. Sein zweiter Sohn, Connor, hatte während des Polizeistreiks von 1919 sein Augenlicht verloren. Körperlich hatte er sich in beeindruckendem Tempo auf sein Gebrechen eingestellt, doch seelisch hatte es seinen Hang zum Selbstmitleid verstärkt und er sich schnell dem Suff ergeben. Nachdem es ihm nicht gelungen war, sich zu Tode zu trinken, hatte er sich der Religion zugewandt. Kurz nachdem er diese Liebäugelei ad acta gelegt hatte, fand er einen Platz in der Silas-Abbotsford-Schule für Blinde und Versehrte. Sie boten ihm eine Stelle als Hausmeister an – ihm, der seinerzeit als jüngster Bezirksstaatsanwalt in der Geschichte des Staates Massachusetts mit den Ermittlungen in einem Fall von Hochverrat betraut worden war –, und so fristete er seine Tage damit, Böden zu wischen, die er nicht sehen konnte. Ein ums andere Mal wurde ihm ein Job als Lehrer an der Schule offeriert, doch er schob jedes Mal vor, er sei zu gehemmt und traue sich den Job nicht zu. Von wegen – keiner von Thomas’ Söhnen war irgendwie gehemmt. Connor hatte schlicht und einfach beschlossen, sich von all jenen Menschen abzuschotten, die ihn liebten. Von Thomas, um genau zu sein.
    Und dann war da eben noch sein jüngster Sohn, der die Verbrecherlaufbahn eingeschlagen hatte, mit Gangstern, Huren und Schwarzbrennern verkehrte, ein Leben führte, das Glamour und Reichtum verhieß, aber selten dazu führte. Und jetzt würde er aufgrund dessen, was seine Komplizen und Thomas’ eigene Männer ihm angetan hatten, womöglich die Nacht nicht überleben.
    Thomas stand im strömenden Regen, den widerwärtigen Gestank seiner selbst in der Nase.
    Er richtete den Blick auf Pooley und Forman. »Findet das Mädchen«, sagte er.
    Es war ein Streifenbeamter in Salem, der den Wagen mit Donnie Gishler und Emma Gould entdeckte. Am Ende waren insgesamt neun Streifenwagen an der Verfolgungsjagd beteiligt, alle aus Kleinstädten an der North Shore – Beverly, Peabody, Marblehead. Einige der Cops sahen eine Frau auf dem Rücksitz des Wagens, andere nicht; einer von ihnen behauptete, hinten hätten sogar zwei oder drei Mädchen gesessen, gab aber später zu, dass er im Dienst getrunken hatte. Nachdem Donnie Gishler mit Vollgas zwei Streifenwagen gerammt und von der Straße geschoben und auf die

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