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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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feiner Umgang, den du so pflegst, mein Junge. Hast du sonst noch irgendwelche Märchen auf Lager?«
    »Das ist kein Märchen.« Joe spuckte einen Schwall Blut aus. »Sie werden Emma töten, Dad.«
    »Nun, so weit werden wir in deinem Fall sicher nicht gehen, Joe. Tatsache ist sogar, dass ich dir kein Härchen krümmen werde. Allerdings würden einige meiner Kollegen gern mal unter vier Augen mit dir reden.«
    Thomas Coughlin beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und musterte seinen Sohn.
    Irgendwo hinter jenem stählernen Blick verbarg sich ein Mann, der einst drei Tage lang auf dem Boden in einem Krankenhauszimmer geschlafen hatte, als Joe anno 1911 am Fieber erkrankt war, ein Mann, der ihm alle acht Zeitungen der Stadt von der ersten bis zur letzten Seite vorgelesen hatte, der ihm immer wieder gesagt hatte, wie sehr er ihn liebte und dass Gott, wenn er seinen Sohn zu sich holen wolle, sich erst einmal mit ihm, Thomas Xavier Coughlin, auseinandersetzen müsse – wobei Gott sicher klar war, dass das alles andere als ein Zuckerschlecken werden würde.
    »Dad, hör mir zu. Emma ist in –«
    Sein Vater spuckte ihm mitten ins Gesicht.
    »Er gehört euch«, sagte er zu seinen Männern und ging.
    »Ihr müsst den Wagen ausfindig machen!«, schrie Joe. »Sucht diesen Donnie! Der hat sie mitgenommen!«
    Der erste Schlag – von einer Faust – traf seinen Kiefer, der zweite, ziemlich sicher ein Hieb mit einem Schlagstock, seine Schläfe. Und dann verloschen alle Lichter dieser Nacht.

6
    Von Sündern und Heiligen
    Der Fahrer des Krankenwagens gab Thomas einen Vor geschmack auf den Schmutz, mit dem die Journaille das BPD überziehen würde.
    Während sie Joe auf einer hölzernen Trage festschnallten und in den Wagen hoben, sagte er: »Habt ihr den Jungen vom Dach geworfen?«
    Das Prasseln des Regens war so laut, dass sie sich nur schreiend verständigen konnten.
    Thomas’ Chauffeur und rechte Hand, Sergeant Michael Pooley, erwiderte: »Die Verletzungen wurden ihm zugefügt, bevor wir hier eingetroffen sind.«
    »Ach ja?« Der Fahrer sah von Pooley zu Thomas; Wasser troff vom schwarzen Schirm seiner weißen Mütze. »Schwachsinn.«
    Trotz der abendlichen Kälte spürte Thomas nur allzu genau, wie sich die Gemüter erhitzten. Er deutete auf seinen Sohn. »Dieser Mann war an der Ermordung der drei Polizisten in New Hampshire beteiligt.«
    »Na, fühlst du dich jetzt besser, Arschloch?«, sagte Sergeant Pooley.
    Der Krankenwagenfahrer fühlte Joes Puls, den Blick auf seine Armbanduhr gerichtet. »Ich habe die Zeitungen gelesen. Ich mach den lieben langen Tag nichts anderes, wenn ich in meiner Karre sitze und auf den nächsten Einsatz warte. Der Bursche hier war bloß der Fahrer. Und bei der Verfolgungsjagd haben eure Jungs den einen Streifenwagen selbst durchsiebt.« Er platzierte Joes Unterarm auf seiner Brust. »Der hat jedenfalls niemanden umgebracht.«
    Thomas betrachtete Joes Gesicht – aufgeplatzte, schwarz verfärbte Lippen, eingeschlagene Nase, zugeschwollene Augen, ein zertrümmertes Jochbein, Augen, Ohren, Nase und Mundwinkel mit dunklem Blut verkrustet. Blut von seinem Blute. Blut, das auch in seinen Adern floss.
    »Wenn er keine Bank überfallen hätte, wären unsere Männer noch am Leben«, sagte Thomas.
    »Die wären noch am Leben, wenn Ihre Kollegen nicht mit einer Maschinenpistole wild durch die Gegend geballert hätten.« Der Fahrer schloss die Türen, und Thomas konnte kaum fassen, wie viel unverhohlene Abscheu in seinem Blick lag. »So wie ihr ihn zugerichtet habt, wird er die Nacht wohl kaum überleben. Und er soll hier der Kriminelle sein?«
    Zwei Streifenwagen setzten sich hinter den Krankenwagen, und kurz darauf waren die drei Fahrzeuge in der Nacht verschwunden. Thomas musste sich abermals daran erinnern, den halb zu Tode geprügelten Mann im Krankenwagen als »Joe« abzuhaken. Ihn als »Sohn« zu sehen ging ihm schlicht zu sehr an die Nieren. Sein Fleisch und Blut, und von beidem war jetzt reichlich auf dem Straßenpflaster verteilt.
    »Haben Sie Albert White schon zur Fahndung ausgeschrieben?«, fragte er Pooley.
    Der Sergeant nickte. »Loomis und Bones auch. Ebenso wie diesen Donnie ohne Nachnamen – wir gehen aber davon aus, dass es sich um Donnie Gishler handelt, der schon länger für White arbeitet.«
    »Setzen Sie Gishler ganz oben auf die Liste. Und informieren Sie alle Einheiten darüber, dass sich wahrscheinlich eine Frau in seinem Wagen befindet. Wo steckt Forman?«
    Pooley

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