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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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können Sie vergessen«, sagte D’Jarvis.
    »Das ist mir klar.«
    »Andererseits ist die Anklage wegen fahrlässiger Tötung eine Farce, und das weiß der Staatsanwalt auch. Trotzdem wird Ihr Sohn nicht um eine Haftstrafe herumkommen.«
    »Was werden sie ihm aufbrummen?«
    D’Jarvis zuckte mit den Schultern. »Zehn Jahre, schätze ich.«
    »In Charlestown?« Thomas schüttelte den Kopf. »Danach schafft er es nicht mal mehr durchs Gefängnistor.«
    »Es sind drei Polizisten ums Leben gekommen, Thomas.«
    »Aber er hat sie nicht auf dem Gewissen.«
    »Deshalb bleibt ihm ja auch der Stuhl erspart. Wäre es nicht Ihr Sohn, würden Ihnen zwanzig Jahre gerade angemessen erscheinen.«
    »Er ist aber nun mal mein Sohn.«
    Die Ärzte kamen aus dem Krankenzimmer. Einer von ihnen blieb stehen und sprach Thomas an. »Woraus auch immer sein Schädel bestehen mag – Knochensubstanz scheint es jedenfalls nicht zu sein.«
    »Doktor?«
    »Ihm geht es gut. Keine Hirnblutung, kein Gedächtnisverlust, keine Sprachstörungen. Seine Nase und die Hälfte der Rippen sind gebrochen, und es wird eine Zeitlang dauern, bis kein Blut mehr im Urin ist, aber eine Hirnschädigung konnten wir nicht feststellen.«
    Thomas und D’Jarvis betraten das Zimmer und setzten sich an Joes Bett. Wortlos blickte er sie an; das Gewebe um seine Augen war dunkelblau verfärbt und immer noch dick geschwollen.
    »Es war ein Fehler«, sagte Thomas. »Ein schwerer Fehler. Mir ist auch bewusst, dass es keine Entschuldigung dafür gibt.«
    Joes schwarz verkrustete Lippen zierte eine Zickzacknaht. »Du meinst, du hättest mich nicht verprügeln lassen dürfen?«
    Thomas nickte. »Ja.«
    »Wie? Du wirst doch wohl nicht weich auf deine alten Tage, oder?«
    Thomas schüttelte den Kopf. »Ich hätte es selbst tun sollen.«
    Ein leises Lachen drang durch Joes Nase. »Bei allem Respekt, dann bin ich froh, dass es deine Männer waren. Deine Prügel hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt.«
    Thomas lächelte. »Du hasst mich also nicht?«
    »Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal seit zehn Jahren bist du mir sympathisch.« Joe versuchte sich aufzurichten, sackte aber wieder in das Kissen zurück. »Wo ist Emma?«
    Jack D’Jarvis öffnete den Mund, doch Thomas hob die Hand. Er sah seinem Sohn fest in die Augen, während er ihm berichtete, was in Marblehead passiert war.
    Joe ließ sich das Gehörte erst einmal durch den Kopf gehen. Dann sagte er, und dabei klang leise Verzweiflung in seiner Stimme mit: »Sie ist nicht tot.«
    »Doch, mein Junge. Und selbst wenn es uns gelungen wäre, den Wagen früher zu stoppen, hätte Gishler sich nicht lebend schnappen lassen. Und sie hätte er vorher umgebracht.«
    »Ihr habt keine Leiche gefunden«, erwiderte Joe. »Also ist sie auch nicht tot.«
    »Die Hälfte der Titanic -Passagiere ist auch nicht gefunden worden, Joseph. Und trotzdem weilen ihre armen Seelen nicht mehr unter uns.«
    »Ich glaube das einfach nicht.«
    »Du glaubst es nicht? Oder willst du es nicht glauben?«
    »Das ist doch dasselbe.«
    »Ganz und gar nicht.« Thomas schüttelte den Kopf. »Wir haben teilweise rekonstruieren können, was in dieser Nacht passiert ist. Sie war Albert Whites Konkubine. Sie hat dich verraten.«
    »Ich weiß«, sagte Joe.
    »Und?«
    Joe lächelte trotz seiner genähten Lippen. »Und es ist mir scheißegal. Ich bin verrückt nach ihr.«
    »Das ist keine Liebe«, sagte sein Vater.
    »Ach ja? Was denn sonst?«
    »Verrückt.«
    »Bei allem Respekt, Dad – ich war achtzehn Jahre lang Zeuge deiner Ehe, und das war ganz bestimmt keine Liebe.«
    »Nein«, räumte sein Vater ein. »Sicher nicht. Und deshalb weiß ich auch, wovon ich rede.« Er gab einen Seufzer von sich. »Aber wie auch immer, sie ist tot, mein Junge. Genau wie deine Mutter, Gott hab sie selig.«
    »Was ist mit Albert?«, fragte Joe.
    Thomas hockte sich auf die Bettkante. »Der hat sich abgesetzt.«
    »Verhandelt aber anscheinend schon über seine Rückkehr«, fügte D’Jarvis hinzu.
    Thomas warf ihm einen Blick zu, und D’Jarvis nickte.
    »Wer sind Sie?«, fragte Joe.
    Der Anwalt streckte die Hand aus. »John D’Jarvis, Mr.   Coughlin. Die meisten Leute nennen mich einfach Jack.«
    Joes Augen öffneten sich so weit, wie es die Blutergüsse eben zuließen. »Verdammt«, platzte er heraus. »Von Ihnen habe ich schon gehört.«
    »Und ich von Ihnen«, gab D’Jarvis zurück. »So wie leider auch der gesamte Bundesstaat. Andererseits hat sich Ihr Vater zu etwas hinreißen lassen,

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