In der Oase unserer Traeume
beschützen.
Aber damals hatte er es gewollt, erinnerte er sich. Er war zwölf gewesen und Jamilah erst sechs. Sie hatten vor den Gräbern ihrer Eltern gestanden, und plötzlich hatte sie seine Betäubung durchbrochen und einen starken Beschützerinstinkt in ihm geweckt.
Salman sah sie vor sich, als wäre es gestern gewesen. Unbeweglich hatte sie auf den Grabstein gestarrt, und mit einem Mal hatte er eine Verbindung zu ihr gespürt, die er nie zuvor mit einem anderen Menschen erlebt hatte.
Ist es möglich, dass Jamilah der Grund dafür ist, dass ich heute Abend beim Anblick von Merkazad so merkwürdig ruhig bin? schoss Salman durch den Kopf. Der Gedanken verstörte ihn weit mehr, als irgendeine Aussicht es je gekonnt hätte.
Zwei Nächte später wälzte Jamilah sich wieder einmal schlaflos in ihrem Bett. Ununterbrochen musste sie an Salman denken, seine Hände auf ihrer Haut, seine Lippen, die sie leidenschaftlich küssten.
Wahrscheinlich ist es sogar besser, dass ich ihn nun jeden Tag sehe, sagte sie sich. Vielleicht würde sie auf diese Weise ja gegen seine Anziehungskraft immun werden. Beinahe hätte sie sich selbst für diesen Gedanken ausgelacht.
Seitdem Salman in Merkazad war, war sie so schreckhaft, dass sie bei dem geringsten Geräusch in die Luft sprang. Langsam wurde sie zu einem nervösen Wrack.
Selbst bei den Stallungen war sie vor Salman nicht sicher. Dort musste sie sich den ganzen Tag lang anhören, wie die Leute über Salman redeten. Ganz besonders die jungen Mädchen fanden offenbar jede Neuigkeit von Salman höchst interessant.
„Ist es wahr, dass Scheich Salman sogar noch reicher ist als Scheich Nadim?“
„Er ist der attraktivste Mann, den ich je gesehen habe. Weshalb kommt er bloß nie zu den Ställen herunter?“
Als sie sich an diese letzte Bemerkung erinnerte, fiel ihr wieder ein, wie seltsam der Stallmeister Abdul sich verhalten hatte.
„Er ist der Scheich. Er kann tun und lassen, was er will. Jetzt geht zurück an die Arbeit!“, war er dem Mädchen schroff über den Mund gefahren.
Jamilah hatte ihn überrascht angestarrt. Abdul war der sanfteste Mann, den sie kannte. Er arbeitete schon so lange in Merkazads Ställen, dass niemand mehr wusste, wie es ohne ihn gewesen war. Abdul sprach nicht sehr oft mit anderen Menschen. Umso mehr hatte es Jamilah überrascht, wie streng er plötzlich klang.
Die Mädchen waren erschreckt davongehuscht. Abdul schien über seinen eigenen Ausbruch entsetzt zu sein. Mit hochrotem Gesicht hatte er sich sofort bei Jamilah entschuldigt.
Sie hatte ihn beruhigt, aber die Frage, was sein plötzlicher Ärger bedeuten mochte, spukte ihr weiterhin im Kopf herum. Konnte es sein, dass der Stallmeister Salman verteidigen wollte?
Jamilah seufzte ärgerlich. Schon wieder kreisten ihre Gedanken nur um Salman. Entschlossen schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf. Nach einer kalten Dusche würde es ihr bestimmt besser gehen.
Jamilah blieb so lange unter dem eiskalten Wasser, bis ihre Lippen blau wurden und ihre Zähne aufeinanderschlugen. Doch sie schaffte es nicht, ihre Gedanken an Salman auszulöschen.
„Du isst heute mit mir zu Abend.“ Salmans Worte waren eindeutig ein Befehl des Herrschers von Merkazad, und wenn es Nadim gewesen wäre, hätte Jamilah sofort zugesagt. Aber von Salman würde sie sich nichts befehlen lassen.
Ihre Hand, die den Telefonhörer hielt, begann zu zittern, doch ihre Stimme blieb ruhig. „Wieso sollte ich?“, fragte sie kühl.
Salman seufzte am anderen Ende der Leitung. „Weil wir Dinge zu besprechen haben …“
Jamilahs Herz pochte so heftig, als wollte es zerspringen. „Ich habe nichts mit dir zu besprechen“, fiel sie ihm ins Wort.
„Was du zu mir gesagt hast, war anscheinend die Wahrheit“, erklärte Salman. „Ich bin der amtierende Herrscher, aber ich kann nicht einfach so befehlen. Ich werde permanent an dich als Ansprechpartnerin verwiesen.“
Jamilah fühlte keinerlei Triumph bei Salmans Worten. „Du musst du dir den Respekt der Angestellten verdienen“, erwiderte sie leise.
„Ich fürchte, bis dieser Tag kommt, brauche ich dich …“
Bei seinen Worten wurde Jamilah plötzlich schwindelig. Nur mit Mühe konnte sie ihm weiter zuhören.
„… um mit mir zu Abend zu essen und Geschäftliches zu besprechen. Oder möchtest du, dass ich Nadim und seine schwangere Frau störe, während sie Zeit mit der Familie verbringen?“
„Nein. Natürlich nicht.“
„Dann lass uns heute Abend darüber reden,
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