In der Oase
schüttelte.
»Zwei deiner Späher haben mich draußen in der Wüste gefunden«, erläuterte er. »Die haben mich gestern hergebracht, mussten aber warten, bis die Schlacht geschlagen war. Ich war erschöpft, Majestät. Ich musste erst schlafen.« Kamose zog ihn ins Zelt.
»Ich habe mich schon gewundert, was das ganze Geschrei soll«, brummelte Ahmose. »Ramose! Ich habe gewusst, du würdest irgendwann wieder auftauchen. Du siehst schlimm aus.« Er gähnte, doch aus dem Gähnen wurde ein breites Grinsen. »Herzlich willkommen. Einen Augenblick, ich muss erst wach werden, dann kannst du uns alles erzählen.«
»Ihr könnt mir glauben, beinahe hätte ich es nicht geschafft«, sagte Ramose. »Und ich habe es gar nicht eilig, meine Abenteuer zu erzählen. Ich genieße noch immer meine Sicherheit und Freiheit.« Er lächelte, doch Kamose bemerkte, dass seine Knie zitterten, als er auf einem Schemel Platz nahm. Achtoi war so prompt und unauffällig wie immer, gefolgt von seinen Dienern, eingetreten, die das erste Mahl des Tages auftrugen. Das Brot war warm aus dem Ofen und die frischen Datteln glänzten auf ihrem Bett aus Salatblättern, den ersten der Saison. Inet-Fisch und Nil-Barsch dufteten zart nach Knoblauch. Dunkles Bier schäumte in den Bechern. Auf Kamoses Wink hin begannen die drei Männer zu essen, und erst als alle Schüsseln leer waren, warf Kamose seine Leinenserviette auf ein Tablett und forderte seinen Freund zum Reden auf.
»Aber erzähle uns erst von Tani«, sagte Ahmose. »Hast du sie gesehen? Geht es ihr gut?« Ein Schatten glitt über Ramoses sonnenverbranntes Gesicht. Er trank einen Schluck Bier, ehe er antwortete. Dann seufzte er.
»Was ich euch zu sagen habe, wird euch nicht gefallen«, fing er an. »Tani ist jetzt eine von Apophis’ Gemahlinnen.« Und er fuhr fort, berichtete von seiner Begegnung mit ihrer Schwester, wiederholte ihre und seine Worte klar und bitter. Kamose, der immer ungläubiger zuhörte, merkte, dass die Eindringlichkeit und Unmittelbarkeit der Unterredung Ramose für immer gekennzeichnet hatten und dass er davon Narben zurückbehalten würde. »Ich habe nicht versucht, sie zur Flucht zu überreden«, sagte Ramose. »Welchen Sinn hätte das gemacht? Sie hat sich von diesem fremdländischen Abschaum völlig übertölpeln lassen.« Er biss die Zähne zusammen und rang um Fassung, ehe er fortfuhr. »Sie schickt euch ihre Grüße und bittet um euer Verständnis.«
»Verständnis! Sie ist wahnsinnig, falls sie sich einbildet, dass ich ihren Verrat jemals vergebe oder vergesse!«, brauste Kamose auf. »Für ihre Mutter ist diese Kunde vernichtend! Was soll ich sagen, lieber Freund? Deinen Kummer kann nichts lindern.«
Ahmose war weiß bis an die Lippen. »Betrachten wir sie als Gefallene in diesem Krieg«, sagte er mit belegter Stimme. »Das müssen wir, Kamose. Sie ist ein Opfer, gehört zu dem Preis, den wir den Göttern für den Sieg zahlen müssen.« Er schluckte laut. »Wenigstens ist sie noch am Leben. Dafür müssen wir dankbar sein.«
»Ich möchte nicht weiter über sie sprechen«, gab Kamose zurück. Aus seiner Ungläubigkeit war Wut geworden, die ihm in Ohren und Augen hämmerte, sodass er kaum noch hören oder sehen konnte. »Ich will mich an sie erinnern, wie sie in den Tagen ihrer Unschuld gewesen ist. Alles andere leugne ich!« Ramose blickte ihn düster an.
»Ich habe Zeit gehabt, über den Schreck hinwegzukommen, Majestät«, sagte er. »Seit ich in dem luxuriösen Gemach vor ihr gestanden und sie so wunderschön, so unnahbar gesehen habe… Seit damals bin ich Hand in Hand mit dem Tod gegangen. Ihre Worte sind in meiner Erinnerung wie Schlangenbisse, aber ich will nicht mehr an die Zeit unserer Liebe denken, als wir gemeinsam unsere Zukunft geplant haben. Damit würde ich das Geschenk des Lebens ablehnen, das mir die Götter in der Wüste gegeben haben. Ich bin fest entschlossen, nur noch in der Gegenwart zu leben, soweit es mein verletztes Ka zulässt.«
»Aber ich verstehe es nicht!«, brüllte Kamose. »Ich werde es nie verstehen! Sie ist eine Tao! Wie konnte sie nur ihren Familienstolz für diesen … diesen … über Bord werfen?«
»Kamose, wir rächen uns dafür und treiben jeden Setiu aus dem Land«, sagte Ahmose heftig. »Wer hat das Heer befehligt, das da draußen umgekommen ist?« Ramose nickte und warf Kamose einen Blick zu.
»Der General des östlichen Heeres war ein gewisser Kethuna«, sagte er. »Er ist tot. Ich habe seinen Leichnam auf dem
Weitere Kostenlose Bücher