In der Oase
ganze«, sagte Kamose langsam. »Ich habe nicht gewusst, dass sie mit Apophis Verbindung aufgenommen haben. O ihr Götter. Was für ein abgefeimtes Gift.« Er spürte, wie sich sein Magen jählings zusammenkrampfte und konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten. Er atmete tief durch und schließlich ließen die Stiche nach. »Ich muss sie auch verhaften lassen«, murmelte er. »Sie darf nicht mehr frei herumlaufen und Bosheit verspritzen. Ramose, es tut mir Leid.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Senehat, das hast du gut gemacht. Dein Gedächtnis ist hervorragend und auch dein Gebrauch der Sprache. Ein Jammer, dass Frauen nicht Schreiber werden können. Was darf ich dir als Lohn für deine Treue geben?« Senehat stellte den Becher behutsam ab, ging zum Fenster, zog die Binsenmatten herunter und ging zur Tür. Kamose merkte, dass sie eher unbewusst gehandelt hatte, während sie über sein Angebot nachdachte.
»Ich würde gern deinen Dienst verlassen und in den Haushalt des Edlen Ramose gehen, wenn der Krieg vorbei ist«, antwortete sie aufrichtig. »Es geht mir gut in deinen Diensten, aber bei ihm geht es mir noch besser.« Glücklicher Ramose, dachte Kamose betrübt.
»Er liebt dich nicht«, sagte er leise.
»Ich weiß«, gab sie schlicht zurück. »Aber das macht nichts.«
»Na schön. Ipi soll dir den Freibrief ausstellen und den geben wir bis auf weiteres ins Archiv. Morgen früh lasse ich Nofre-Sachuru verhaften. Bist du bis dahin sicher?«
»Ich denke schon«, sagte sie ernst.
»Dann bist du entlassen. Sei gut zu ihm, Senehat.«
»Immer, Majestät.« Ein Band wehte, Leinen flatterte, dann war sie fort.
Am liebsten wäre er nach draußen gestürzt, hätte Nofre-Sachuru auf der Stelle verhaftet, sie ins Gefängnis geschleift, sie und die hinterlistigen Fürsten an die Wand gestellt und sie sofort hingerichtet, doch die Vernunft obsiegte. Er rief nach Achtoi und ließ sich heißes Wasser holen, weil er in seinen eigenen Räumen gewaschen werden wollte. Das Wasser duftete nach Lotosöl. Er atmete die feuchte Luft ein und lächelte matt und enttäuscht. Ramose verdiente Senehat.
Als er wieder allein war, schlug er das Laken auf, legte sich hin, blies die Lampe aus und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Allmählich zeichnete sich der Umriss des verhängten Fensters ab, ein mattgraues Viereck mit einem Strichmuster aus Binsen. Fackelschein auf dem Flur draußen glitt an seiner Tür vorbei, wurde schwächer und verzog sich. Die Zimmerdecke mit dem aufgemalten Sternenzelt war beinahe unsichtbar, die Sterne selbst nur noch verschwommene, aschfarbene Flecken, die jedoch bei Tage weiß leuchteten. Ich sollte auf der Stelle zu Ahmose gehen, sagte er sich. Er und Aahmes-nofretari müssen wissen, was Senehat gesagt hat. Nofre-Sachuru und die Fürsten müssen öffentlich abgeurteilt werden, damit Ägypten mich nicht als rücksichtslosen Schlächter verflucht, wenn ich ihren Tod anordne. Es ist mir jetzt einerlei, welche Schlüsse Apophis möglicherweise zieht, wenn er von Uneinigkeit in unserem Lager hört. Ich muss ein Exempel an ihnen statuieren, falls die Treue anderer vielleicht auch wankt.
Schlächter. Er wälzte sich unruhig unter dem Laken. Sie haben mich einen Schlächter genannt. Bin ich das wirklich? Ich brauche Zeit, damit ich meine bösen Taten wieder gutmachen kann, auch wenn sie notwendig gewesen sind, dachte er. Ich muss den Horusthron besteigen, Amun, du musst mir Zeit geben, damit ich gerecht regieren, mein Land blühen sehen, Handel und Wandel fördern und die vernachlässigten und verfallenden Tempel wieder aufbauen kann, alles Dinge, die ohne die beiden Jahre, in denen ich das Vergangene zerstört habe, nie zustande gekommen wären.
Sein Kummer hatte rasende Kopfschmerzen ausgelöst, und obwohl er müde war, floh der Schlaf sein Lager. Seine Gedanken kreisten um die Fürsten, Nofre-Sachuru, Senehat, Aahmes-nofretaris Bericht auf dem Rückweg vom Tempel. Er überlegte, ob er aufstehen und zu den Gemächern seiner Großmutter gehen sollte, aber er wollte keinen Wortschwall hören, nicht heute Abend. Er wollte Schweigen und Stille, ehe er gezwungen war, am nächsten Morgen den Sturm zu entfesseln.
Es war zum Verzweifeln. Jäh verließ er sein Lager, kniete sich im Dunkeln vor Amuns Schrein und begann zu beten. »Ich möchte nicht weitermachen«, flüsterte er seinem Gott zu. »Ich habe keinen Mut mehr. Meine Fürsten verlassen mich. Ihre Verachtung trifft mich ins
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